Patienten-Verlagerung zunehmend (W, OÖ)

26. Februar 2019

Anfrage

der Abgeordneten Mag.a Kollermann an Landesrat für Wohnen, Arbeit und internationale Beziehungen Dr. Martin Eichtinger gemäß § 39 Abs. 2 LGO 2001

betreffend: „Zunehmende NÖ Patienten-Verlagerung nach Wien und Oberösterreich“

Wiener Gesundheitsstadtrat beklagt unabgestimmte Patientenverlagerungen

Der Wiener Gesundheitsstadtrat Hacker führte am 5.1.2019 ein Interview mit der Krone. Dieses gibt Hinweise auf unabgestimmte Patientenverlagerungen von Niederösterreich nach Wien, speziell bei schwerkranken Krebs-Patienten. In diesem Interview sprach er konkret von „bestimmten Krebsbehandlungen“, bei denen „eine Injektion 100.000 Euro“ kostet. Unter anderem konnte er sich „möglicherweise“ Einschränkungen für NÖ Onkologie-Patienten in Wien vorstellen. Wenn Stadtrat Hacker einen möglichen Patienten-Bann in der auflagenstärksten Zeitung Österreichs anspricht, dann scheint der Grad der Patienten-Mitversorgung zwischen Niederösterreich und Wien alles andere als abgestimmt zu sein. (https://www.krone.at/1837117)

Zunehmende Patienten-Verlagerung in andere Bundesländer

Die Zahlen der „Statistik Austria“ und des BMASGK belegen die Patienten- Verlagerungs-Politik der NÖ Landesregierung. Denn diesen Quellen nach werden NÖ Patienten zunehmend in anderen Bundesländern behandelt, vor allem Wien aber auch OÖ. So wurden im Jahr 2017 bereits 23,6% der Niederösterreicher in Wien stationär versorgt. Im Vergleich dazu, ließen sich im Jahr 2007 lediglich 17,7% der Niederösterreicher stationär in Wien versorgen.

Zunehmende Onkologie-Patienten-Verlagerung

Bezüglich der niederösterreichischen Onkologie-Patienten lässt sich dieser Umstand noch klarer darlegen. Hier wurden 2017 47,8% der niederösterreichischen Onkologie- Patienten in Wien versorgt. Im Vergleich wurden 2007 erst 34% der niederösterreichischen Onkologie-Patienten in Wien versorgt. Man sieht also auch hier, dass immer weniger niederösterreichische Patienten in Niederösterreich versorgt werden.

Patienten-Verlagerung ohne Abstimmung mit Wien, um Kosten zu sparen?

Interessant ist, dass bis 2007 ein Trend zur stärkeren Eigenversorgung
der niederösterreichischen Patienten in niederösterreichischen Spitälern erkennbar war. Die Trendumkehr kam erst mit der Gründung der NÖ Spitals-Holding. Es scheint so, als würde man seither versuchen, über Patientenverlagerungen in andere Bundesländer Kosten zu sparen. Die starke Landesgesundheitsfonds-Finanzierung über den Finanzausgleich verleitet auf jeden Fall anreiztechnisch zu Patientenverlagerungen in andere Bundesländer. Die heftigen Reaktionen des Wiener Stadtrats Hacker deuten zudem darauf hin, dass die Patientenverlagerungen nicht mit Wien abgestimmt wurden.

Pendler sind keine Erklärung für stärkere Mitversorgung durch Wien

Auch die niederösterreichischen Pendler nach Wien sind keine ausreichende Erklärung für die immer stärker werdende Mitversorgung durch Wien. Denn nur knapp 13% der WGKK-Versicherten sind Niederösterreicher und dieser Anteil geht zudem seit 2009 zurück.

NÖKAS: Gemeindebeiträge für Spitäler stark angestiegen

Trotz der Patientenverlagerungen in andere Bundesländer, sind die Gemeindebeiträge zur NÖ Spitalsversorgung in den letzten Jahren recht kräftig angestiegen. All diese Zahlen stehen für eine besorgniserregende Entwicklung. Kosteneinsparungen scheinen gegenüber Patienteninteressen im Vordergrund zu stehen. Das wirft zahlreiche Fragen auf.

Tabelle 1:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tabelle 2:

 

Tabelle 3:

 

 

 

 

 

 

Die Gefertigte stellt daher an Landesrat für Wohnen, Arbeit und internationale Beziehungen Dr. Martin Eichtinger folgende

Anfrage
1)  Aus welchen Gründen werden NÖ Patienten für die stationäre Versorgung zunehmend in andere Bundesländer verlagert?

2)  Liegen Ihnen Anzeichen vor, dass die NÖGKK arzneimittelintensive Patienten in die NÖ Landeskliniken verlagert?

3)  Können Sie ausschließen, dass a) etwaige Verlagerungen therapieintensiver Patienten seitens der NÖGKK in die NÖ Landeskliniken bzw. b) ein genereller Trend bei therapieintensiven Patientengruppen in den NÖ Landeskliniken die NÖ Landeskliniken dazu bewegt, NÖ Patienten auf direktem oder indirektem Wege in andere Bundesländer zu verlagern?
a. Wenn ja, wie erklären Sie sich dann die zunehmende Versorgung NÖ Patienten außerhalb Niederösterreichs (seit der Gründung der NÖ Spitalsholding)?
b. Wenn nein, was unternehmen Sie dagegen?

4)  Wie gehen die NÖ Landeskliniken bzw. der NÖGUS bei den offensichtlichen Patienten-Verlagerungen in andere Bundesländer genau vor?
a. Direkt: Patienten-Abweisungen?
b. Indirekt: Therapie- und Angebots-Einschränkungen bzw. –Abbau?
c. Sonstige Maßnahmen?

5)  In einigen Bundesländern gibt es mittlerweile Arzneimittel-Bewertungsgremien (Vorbild: HTA), mit denen teure Therapien unter dem Titel der „Evidenzbasierung“ abgelehnt werden, wodurch den betroffenen Patienten nur noch das Ausweichen in andere Bundesländer übrigbleibt. Wurden solche oder
ähnliche Gremien auch durch die NÖ Landesregierung, den NÖGUS oder die NÖ Landeskliniken etabliert?

6)  Wieso ist die zunehmende NÖ Patienten-Verlagerung in andere Bundesländer nicht in Abstimmung mit diesen anderen Bundesländern erfolgt?

7)  Wenn die zunehmende NÖ Patienten-Verlagerung nach Wien abgestimmt war, wie erklären Sie die Aussagen des Wiener Gesundheitsstadtrates Hacker, der die zunehmende Verlagerung von Patienten nach Wien beklagte und sich eine Versorgungs-Einschränkung von NÖ Patienten vorstellen konnte? (Kronenzeitung, 5.1.2019)

8)  Wie viele Treffen bezüglich einer abgestimmten Versorgung hat es zwischen Stadtrat Hacker und Mitgliedern der NÖ Landesregierung seit 5.1.2019 gegeben? (https://www.krone.at/1837117)
a. Welche Ergebnisse brachten diese Gespräche?

9)  Wo werden die von Stadtrat Hacker erwähnten „Kontrollberichte“ (Kronenzeitung, 5.1.2019) veröffentlicht? (https://www.krone.at/1837117)
a. Wenn die erwähnten „Kontrollberichte“ nicht veröffentlicht wurden, bis wann werden Sie diese „Kontrollberichte“ veröffentlichen und wo?

10)  Welchem zusätzlichen Risiko sind niederösterreichischen Onkologie-Patienten durch die NÖ Onkologie-Unterversorgung und die Patienten-Verlagerung in andere Bundesländer ausgesetzt?

11)  Wie stellen Sie sicher, dass vor allem ältere NÖ Onkologie-Patienten allfällige längere Anfahrtswege in andere Bundesländer für die Onkologie-Versorgung leichter bewältigen können?

12)  In welcher Form informieren Sie die 573 niederösterreichischen Gemeinden darüber, dass die NÖ Patienten zunehmend außerhalb Niederösterreichs versorgt werden?

13)  Wenn Sie die 573 NÖ Gemeinden darüber informiert haben, wie waren dabei die Reaktionen der Gemeindevertreter? Positiv?

14)  Gibt es Pläne, die Höhe der NÖKAS-Beiträge an die Höhe des stationären Eigenversorgungsgrades zu koppeln?

15)  Werden aktuell zwischen den Ländern Gespräche geführt, eine direkte Leistungsverrechnung zwischen den Spitälern bzw. Landesgesundheitsfonds zu etablieren, wie es unter den Krankenkassen bereits passiert?

a. Wenn ja, wie ist der aktuelle Diskussionsstand?
b. Wenn ja, was spricht für eine Fortführung der Fremdpatienten- Abrechnung über den intransparenten, verhandlungsintensiven Finanzausgleich, der zudem Fehlanreize, wie Patientenverlagerungen forciert?

16)  Von welchem stationären Eigenversorgungsgrad für niederösterreichische Onkologie-Patienten geht man seitens der NÖ Landesregierung bis 2025 aus? (Aktueller Eigenversorgungsgrad bei „C00-D48 Neubildungen“: 43,3%)

17)  Von welchem stationären Eigenversorgungsgrad für niederösterreichische Patienten geht man seitens der NÖ Landesregierung bis 2025 aus? (Aktueller allgemeiner Eigenversorgungsgrad: 69,1%)

18)  Bis wann wird die NÖ Strahlentherapie-Versorgung entsprechend den ÖSG- Vorgaben angepasst werden (siehe RH-Kritik – NÖ 2018/9)?

19)  Die NÖ Spitalsauslastung lag zuletzt gerade mal bei 70%, was eine stärke Eigenversorgung möglich erscheinen lässt. Bis wann ist eine Trendumkehr zu einer stärkeren NÖ Patienten-Eigenversorgung geplant?

20)  Sind die NÖ Spitäler, trotz der geringen Auslastung, derzeit personell und finanziell überhaupt in der Lage, eine stärkere Eigenversorgung der NÖ Patienten sicherzustellen?

21)  Bezüglich der niederösterreichischen Fondsspitäler: Wie haben sich die stationären Aufenthalte mit Hauptdiagnosen „C00-D48 Neubildungen“ von 2005 bis 2018 entwickelt? (Darstellung je Jahr, je Versorgungsregion, sowie zielbezogen und quellbezogen)

22)  Bezüglich der niederösterreichischen Fondsspitäler: Wie haben sich die stationären Aufenthalte von 2005 bis 2018 entwickelt? (Darstellung je Jahr, je Versorgungsregion, sowie zielbezogen und quellbezogen)

23)  Bezüglich der niederösterreichischen Fondsspitäler: Wie haben sich die stationären 0-Tages-Aufenthalte von 2005 bis 2018 entwickelt? (Darstellung je Jahr, je Versorgungsregion, sowie zielbezogen und quellbezogen)

24)  Bezüglich der niederösterreichischen Fondsspitäler: Wie haben sich die stationären 0-Tages-Aufenthalte, denen eine tagesklinische Leistung zu Grunde liegt, von 2005 bis 2018 entwickelt? (Darstellung je Jahr, je Versorgungsregion, sowie zielbezogen und quellbezogen)

25)  Bezüglich der niederösterreichischen Fondsspitäler: Wie hat sich die Spitalsauslastung von 2005 bis 2018 entwickelt? (Darstellung je Jahr, Auslastung je Versorgungsregion und insgesamt)

Mag.a Edith Kollermann

 

Beantwortung

Martin Eichtinger
Landesrat

Herrn
Präsidenten d. NÖ Landtages Mag. Karl WILFING

St. Pölten, am 09. April 2019

Die im Rahmen der Anfrage der Abgeordneten Mag.a Kollermann betreffend „Zunehmende NÖ Patienten-Verlagerung nach Wien und Oberösterreich“, eingebracht am 26. Februar, Ltg.-597/A-5/115-2019, an mich gerichteten Fragen beantworte ich soweit diese in meine Zuständigkeit fallen und vom Anfragerecht umfasst sind, wie folgt:

Zu 1.:
Es findet keine gesteuerte Verlagerung der intramuralen Versorgung in andere Bundesländer statt.

Zu 2.:
Fällt in die Zuständigkeit der NÖGKK.

Zu 3.:
Siehe Antwort zu Frage 1.

Zu 4.:
Siehe Antwort zu Frage 1.

Zu 5.:
In der NÖ Landeskliniken Holding gibt es ein Medizinisches Innovationsboard, welches neue Produkte und Therapien entsprechend der Evidenz beurteilt.
Es erfolgt eine bundesländerübergreifende Abstimmung durch die Kooperationsvereinbarung mit der KAGES zur Teilnahme an deren Medizinischem Innovationsboard.
Vertreter der NÖ Landeskliniken-Holding steuern in Abstimmung mit dem NÖGUS Expertise zum Pilotprojekt „Spitals HEK“ auf Bundesebene bei.

Zu 6.:
Siehe Antwort zu Frage 1.

Zu 7.:
Siehe Antwort zu Frage 1.

Zu 8.:
Ein Treffen zur angeführten Thematik und mit den angeführten Personen seit 5.1.2019 hat es seitens des zuständigen Landesrats nicht gegeben.

Zu 9.:
Es ist aus dem angeführten Link nicht ersichtlich, um welche „Kontrollberichte“ es sich hierbei handelt.

Zu 10.:
Siehe Antwort zu Frage 1. Ergänzend ist festzuhalten, dass es in Niederösterreich keine Unterversorgung von Onkologie-Patienten gibt.

Zu 11.:
Siehe Antwort zu Frage 1.

Zu 12.:
Siehe Antwort zu Frage 1.

Zu 13.:
Siehe Antwort zu Frage 1.

Zu 14.:
Nein. Die stationäre Versorgung der Bürgerinnen und Bürger aller NÖ Gemeinden ist vollständig sichergestellt.

Zu 15.:
Es sind keine Gespräche in diese Richtung bekannt.

Zu 16.:
Der RSG NÖ 2025 ist das zentrale Instrument für die integrative Planung der Gesundheitsversorgung. Der derzeit vorliegende RSG NÖ 2025 – Teil 1 stellt den ersten Teil der regionalen Strukturplanung in NÖ dar und trifft Planungsaussagen auf Basis der bestehenden Versorgungssituation für Niederösterreich sowie für die fünf niederösterreichischen Versorgungsregionen (VR). Der zweite Teil der regionalen Strukturplanung in NÖ umfasst im intramuralen Bereich unter anderem die standortgenaue Planung. Dieser zweite Teil wird spätestens im Jahr 2020 der NÖ Landes-Zielsteuerungskommission zur Beschlussfassung vorgelegt.
Die Strukturplanung im RSG NÖ 2025 basiert auf einer komplexen Leistungsangebotsplanung unter Berücksichtigung bestehender regionaler Spezifika, dazu gehört auch die Berücksichtigung bestehender Patientenströme. Niederösterreich ist gemäß dem gesundheitspolitischen Grundsatz „ambulant vor stationär“ seit Jahren Vorreiter in der ambulanten bzw. tagesklinischen Leistungserbringung. Gerade in der onkologischen Versorgung werden – im Gegensatz zu einer Reihe anderer Bundesländer – weite Leistungsbereiche bereits jahrelang in den NÖ Landes- und Universitätskliniken ambulant erbracht. Die Beschränkung auf die Betrachtung des stationären Bereichs klammert somit gerade in NÖ beträchtliche Leistungsbereiche aus.

Zu 17.:
Siehe Antwort zu Frage 16.

Zu 18.:
Gemäß aktuell gültigem ÖSG 2017 sind 3 zusätzliche Strahlentherapiegeräte in NÖ Fonds-Krankenanstalten zu etablieren.
Der Austausch eines bestehenden Gerätes auf ein modernes Gerät mit höherer Effizienz in der Patientenversorgung ist bereits erfolgt. Das erste zusätzliche Gerät wird laut Planung im Jahr 2022 in Betrieb gehen. Die Inbetriebnahme weiterer Geräte in Krems erfolgt stufenweise.

Zu 19.:
Niederösterreich ist gemäß dem gesundheitspolitischen Grundsatz „ambulant vor stationär“ seit Jahren Vorreiter in der ambulanten bzw. tagesklinischen Leistungserbringung. Österreichweit und auch in NÖ ist dieser Trend in einem Rückgang an stationären Bettenkapazitäten zu erkennen. NÖ trägt diesem Umstand auch im RSG NÖ 2025 – Teil 1, als das zentrale Instrument für die integrative Planung der Gesundheitsversorgung in Niederösterreich, Rechnung.
Die Frage stellt sich so nicht, weil eine vollständige Versorgung der NÖ Patientinnen und Patienten sichergestellt ist.

Zu 20.:
Die NÖ Landes- und Universitätskliniken sind versorgungsstrukturell darauf ausgelegt, eine bestmöglich erreichbare, medizinisch und gesamtwirtschaftlich sinnvolle und regional auf einander abgestimmte Versorgung von Patienten aus NÖ und Gastpatienten aus anderen Bundesländern bzw. aus dem Ausland zu gewährleisten. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der Auslastungsgrad nicht immer linear in Beziehung zum Leistungsgeschehen bzw. den Personalvorhaltungen steht. Im Übrigen siehe Antwort zu Frage 19.

Zu 21.:
Dargestellt wird die Zeitreihe von 2009 bis 2017, da ab 2008 sämtliche NÖ Landes- und Universitätskliniken unter dem Dach der NÖ Landeskliniken-Holding geführt werden.

siehe Anhang  zu  21

Zu 22.:
Dargestellt wird die Zeitreihe von 2009 bis 2017, da ab 2008 sämtliche NÖ Landes- und Universitätskliniken unter dem Dach der NÖ Landeskliniken-Holding geführt werden.

siehe Anhang zu 22

Zu 23.:
Dargestellt wird die Zeitreihe von 2009 bis 2017, da ab 2008 sämtliche NÖ Landes- und Universitätskliniken unter dem Dach der NÖ Landeskliniken-Holding geführt werden.

siehe Anhang zu 23

Zu 24.:
Dargestellt wird die Zeitreihe von 2009 bis 2017, da ab 2008 sämtliche NÖ Landes- und Universitätskliniken unter dem Dach der NÖ Landeskliniken-Holding geführt werden.

siehe Anhang zu 24

Zu 25.:
Dargestellt wird die Zeitreihe von 2009 bis 2017, da ab 2008 sämtliche NÖ Landes- und Universitätskliniken unter dem Dach der NÖ Landeskliniken-Holding geführt werden.

Mit den besten Grüßen
Martin Eichtinger e.h.
Landesrat

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