Verschiebung von
Operationen:
Corona-Pandemie
ANFRAGE
der Abgeordneten Mag. Kollermann an Landeshauptfrau-Stellvertreter für Energie, Landeskliniken und Landwirtschaft Dr. Stephan Pernkopf gemäß § 39 Abs. 2 LGO 2001 betreffend: Verschiebung von Operationen aufgrund der Corona-Pandemie
Die Eine hofft seit September darauf, dass ihr Tumor entfernt wird. Der Andere leidet unter Schmerzen an der Hüfte und wünscht sich eine baldige Operation. Für viele Patienten heißt es angesichts der deutlichen Auslastung der Intensivstationen deshalb: Bitte warten! „In Wien, Niederösterreich, der Steiermark, natürlich in Oberösterreich und in Salzburg sowie in Tirol werden OP-Termine verschoben. Kärnten ist knapp an der Grenze“, berichtet Gerald Bachinger, Leiter der Niederösterreichischen Patienten- und Pflegeanwaltschaft im November. Diese Situation gab es in Niederösterreich immer wieder in den letzten zwei Jahren. Immer wieder wurden die Warnungen der Patienten- und Pfleganwaltschaft in den Wind geschlagen.
Die Kliniken in Niederösterreich arbeiteten nach einem Stufenplan. „So ist im November schon damit begonnen worden, die Zunahme von Covid-Patienten zu kompensieren und planbare elektive Eingriffe zu reduzieren“, so im November Christoph Hörmann, der Leiter der Klinischen Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin am Uniklinikum St. Pölten. (https://noe.orf.at/stories/3128570/)
Die Gefertigte stellt daher an Landeshauptfrau-Stellvertreter für Energie, Landeskliniken und Landwirtschaft Dr. Stephan Pernkopf folgende
Anfrage
- Wie viele angesetzte Operationen wurden 2020 sowie 2021 schon verschoben? Bitte um Angabe nach Monaten, Grund und Standort
a.) An welchen Standorten wurden 2020 und 2021 die meisten bzw. die wenigsten Operationen wegen Corona verschoben? - Anhand welcher Kriterien wird/ wurde entschieden, welche Operationen durchgeführt und welche Operationen verschobenen werden? Bitte um genaue
Erläuterung.
a.) Wer hat diese Kriterien festgelegt?
b.) Waren Sie bei der Festlegung der Kriterien involviert? - Wie beurteilen Sie persönlich die Verschiebung von Operationen, welche für die
Betroffenen durchaus wichtig sind? - Wie schnell können der nun entstandene „Operations-Stau“ wieder aufgelöst und die
Operationen nachgeholt werden? - Welche Aufzeichnungen wurden in den Landeskliniken darüber geführt, ob und wie
viele Patient_innen aufgrund der notwendigen Verschiebungen mit Verschlechterungen des jeweiligen Gesundheitszustandes konfrontiert waren? - Wie viele Personen mussten aufgrund der Überlastung der Intensivstationen bereits mit einem lntensivtransport in ein Spital in einem anderen Bundesland
gebracht werden? Bitte auch um Angabe, in welches Bundesland transportiert werden musste. - Wie viele Personen mussten in den NÖ Kliniken aus einem anderen Bundesland aufgrund von dortigen Kapazitätsengpässen übernommen werden? Bitte um Angabe der Zahlen nach Bundesländern.
- Laut einer Anfragebeantwortung der NÖ Landesregierung vom 09.04.2019 ist nun ein MIB („Medizinischen Innovationsboard“) in Niederösterreich etabliert.
a. Können Sie ausschließen, dass die NÖ Landeskliniken bzw. der NÖGUS über das NÖ MIB Therapien einschränken, die in anderen Bundesländern durchgeführt werden?
b. Welche konkreten Therapien hat das NÖ MIB bisher ausgeschlossen, welche in anderen Bundesländern durchgeführt werden?
c. Wie viele Patient_innen wurde bereits eine innovative Therapie verweigert, die auf einer negativen MIB-Beurteilung beruht? (Darstellung je Jahr) - Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Patient_innen gegen eine Therapie- Ablehnung der NÖ Landeskliniken-Holding zu berufen?
a. Ist eine Bescheid-Ausgabe wie in der Krankenversicherung angedacht, damit Patient_innen gegen die negativen Bescheide ein Rechtsmittel zur Verfügung steht?
b. Wenn nein, weshalb nicht? - Welche Schwächen sieht man seitens der Landesregierung beim MIB bezogen auf eine schnelle Erstattungs-Zulassung von innovativen Therapien?
a. Inwiefern stellt die Landesregierung sicher, dass das MIB innovative Therapien bei der Erstattungs-Zulassung nicht hinauszögert? - Wie sehr steht man seitens der Landesregierung mit den Mitgliedern des NÖ MIB im Austausch, um allfällige Fehlentwicklungen zu verhindern?
Beantwortung
Herrn Präsident
des NÖ Landtages
Mag. Karl Wilfing
St. Pölten, am 22. März 2022
im Hause LHSTV-P-L-397/246-2022
Sehr geehrter Herr Präsident!
Zur Anfrage der Abgeordneten Mag. Kollermann betreffend „Verschiebung von Operationen aufgrund der Corona-Pandemie“, zu Zahl Ltg.-1930/A-4/283-2022, darf ich folgende Beantwortung, sofern mein Zuständigkeitsbereich betroffen ist und dies dem Anfragerecht unterliegt, übermitteln:
Modellhaft werden operative Eingriffe mit dem Leistungsgeschehen 2019 verglichen und Abweichungen zum Jahr 2020 und 2021 dargestellt. Eine konkrete Anzahl an Operationen liegt nicht vor und kann technisch nicht erhoben werden. Gemessen am Operationsgeschehen (OP-Minuten) vom letzten „Corona-freien“ Jahr 2019 wurden im Jahr 2020 rund 83% und im Jahr 2021 rund 86% durch die NÖ Landes- und Universitätskliniken des Operationsgeschehens geleistet.
Seitens der Direktion Medizin und Pflege der NÖ LGA gab es die klare Empfehlung alle Akutoperationen sowie jene dringlichen Operationen durchzuführen, welche das Outcome der PatientInnen verändern würden. Die Durchführung lag im Ermessen der behandelnden ÄrzteIn.
Alle Beteiligten sind um eine möglichst rasche Abarbeitung verschobener Operationen bemüht, wenngleich dies in Akutspitälern auf Grund von immanenten Akut- und Notfallinterventionen und den noch immer bestehenden Personalausfällen durch Corona nur schrittweise erfolgen kann.
Einzelne Transferierungen fanden ausschließlich wegen Kapazitätsengpässen im Bereich der ECMO-Therapie an das AKH in Wien sowie an das AKH Linz statt. Es wurde deshalb im Sommer 2021 die ECMO Kapazität erhöht. Einzelne PatientInnen wurden auf Grund ihrer Grunderkrankung und Vorbehandlung im AKH Wien und der zusätzlichen Covid-19 Erkrankung dorthin verlegt (Transplant-PatientInnen).
Das Medizinischen Innovationsboard (MIB) ist die Anlaufstelle für Innovations-Wünsche, die aus den NÖ Landeskliniken an die LGA herangetragen werden. Das MIB prüft die wissenschaftlichen Grundlagen für einen messbaren Vorteil für PatientInnen in den NÖ Landeskliniken. Die Hauptaufgabe des MIB ist die Sicherstellung der bestmöglichen PatientInnenversorgung auf Grund des aktuellen wissenschaftlichen Standards unter Beachtung der budgetären Rahmenbedingungen des Landes Niederösterreich. Eine Abstimmung über Zulassung oder nicht Zulassung einer Therapie mit anderen Krankenhausträgern findet nicht statt.
Ein endgültiger Ausschluss von Therapien, die eine wissenschaftliche Grundlage haben und aus den NÖ Landeskliniken an die LGA herangetragen werden, findet generell nicht statt. Wenn die Datenlage für eine allgemeine Anwendung nicht ausreichend ist und daher der mögliche Nutzen und/oder der mögliche Schaden für die uns anvertrauten PatientInnen noch nicht abgeschätzt werden kann, muss im Sinne des PatientInnenwohles, der medizinischen Seriosität und der Ethik die Zulassung bis zum Vorliegen von validen Empfehlungen (Standard of Care) postponiert werden.
Einzelfall-Bewilligungs-Anträge wurden bis jetzt nicht abgelehnt. Es wurde selbstverständlich auch keiner konkreten Patientin oder einem konkreten Patienten eine wirksame Therapie verweigert, für die es keine gleichwertige Alternative gab.
Für die sehr seltenen hyperakuten Fälle, bei denen neue Medikamente gebraucht würden, die im MIB noch nicht beantragt wurden, steht im Einzelfall für konkrete PatientInnen ein „Heilversuch“ gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 Arzneimittelgesetz zur Verfügung, sofern die Finanzierung gesichert ist.
Zwischen NÖGUS und NÖ LGA ist ein regelmäßiger Austausch zu medizinischen Themen etabliert, das Land NÖ kommt ihrer Aufsichtspflicht nach.
Mit freundlichen Grüßen
LH-Stv. Dr. Stephan Pernkopf eh.