Strategien gegen Gewalt gegen Frauen
ANFRAGE
der Abgeordneten Mag.a. Edith Kollermann an die Landesrätin für Bildung, Familien und Soziales Mag.a. Christiane Teschl-Hofmeister
bezüglich: Strategien des Landes Niederösterreich gegen Gewalt gegen Frauen
Österreich ist – betrachtet man die aktuellen Zahlen zu Morden und Tötungen, die aus 2017 stammen – das einzige EU-Land, in dem mehr Frauen umgebracht wurden als Männer. Zu Morden gibt es Zahlen aus 2018, da ist Österreich eines von drei Ländern mit einem derartigen Verhältnis. In den wenigsten Jahren war das Verhältnis hierzulande umgekehrt. Sämtliche Opferschutzorganisationen bemängeln seit Jahren die fehlenden Mittel von Seiten der Bundesregierung und/oder der Landesregierung.
„Wir haben sehr sehr viel gemacht, trotzdem hat sich die Gewalt nicht verringert, und ein Grund ist, da sind wir zutiefst überzeugt, dass wir immer am Limit arbeiten in unserer Einrichtung“, so Rosa Logar vom Verein Wiener Interventionsstelle gegen familiäre Gewalt.
Schon 2019 forderten die Frauenhäuser in Niederösterreich ein höheres Budget. Dies wurde von der niederösterreichischen Landesregierung abgelehnt. 2,3 Millionen Euro werden vom Land Niederösterreich je nach Größe auf sechs Frauenhäuser (Amstetten, Mistelbach, Neunkirchen, Mödling, St. Pölten und Wr. Neustadt) aufgeteilt. Dazu kam 2019 ein Sonderbudget von 100.000 Euro für Sicherheitsmaßnahmen wie etwa Überwachungskameras und Zäune.
Aufgrund der hohen Zahl an Gewaltdelikten gegen Frauen kann man feststellen, dass dieses Budget offensichtlich nicht ausreicht, den Frauenhäusern ein effektives Arbeiten zu ermöglichen. Zusätzliche Verschärfungen der Situation, die sich besonders im Zuge der Covid-Pandemie und der dadurch offenen Problemstellungen, zeigen, sind ebenfalls noch zu berücksichtigen.
Aufgrund offener Fragen und des geringen Budgets von Seiten des Landes Niederösterreichmstellt die Gefertigte folgende
ANFRAGE
1. Wie viel Geld wurde in NÖ in den Jahren 2018-2021 für Gewaltprävention aufgewendet? (Bitte um Angabe pro Jahr und im Fall 2021 die Zahlen bis 30.04.2021)
a. Wieviel davon explizit zur Prävention von Gewalt gegen Frauen? (Bitte um Angabe pro Jahr und im Fall 2021 die Zahlen bis 30.04.2021)
b. Um welche konkreten Präventionsmaßnahmen handelt es sich dabei? (Bitte um Angabe pro Jahr und im Fall 2021 die Zahlen bis 30.04.2021)
2. Wie viel Geld wurde in NÖ in den Jahren 2018-2021 als Förderung für autonome Frauenhäuser ausbezahlt? (Bitte um Angabe pro Jahr und im Fall 2021 bis 30.04.2021)
a. Gab es sonstige Förderungen oder Zuwendungen für die autonomen Frauenhäuser in NÖ durch das Land NÖ?
3. Was ist in den kommenden Jahren konkret geplant, um die Situation in NÖ zu verbessern?
Beantwortung
Christiane Teschl-Hofmeister
Landesrätin
Herrn
Präsidenten des NÖ Landtages
Mag. Karl Wilfing
St. Pölten, am 29. Juni 2021
Sehr geehrter Herr Präsident!
Zur Anfrage der Abgeordneten Mag.a. Edith Kollermann betreffend „Strategien des Landes Niederösterreich gegen Gewalt gegen Frauen“, eingebracht am 18. Mai 2021, Ltg. 1646/A-5/351-2021, darf ich Folgendes mitteilen:
Die Beantwortung einer Anfrage durch ein Regierungsmitglied ist durch die
NÖ Landesverfassung, die Geschäftsordnung des Landtages von NÖ sowie der Geschäftsordnung der NÖ Landesregierung vorgegeben. Diese Bestimmungen sind jedenfalls einzuhalten. Auf Basis dieser gesetzlichen Grundlagen darf ich daher im Rahmen meiner Zuständigkeit wie folgt Stellung nehmen:
Für Gewaltprävention wurden in Niederösterreich im Jahr 2018 € 181.655,60 (davon € 159.850,– zur Prävention von Gewalt gegen Frauen), im Jahr 2019 € 214.876,50 (davon € 187.831,16 zur Prävention von Gewalt gegen Frauen), im Jahr 2020
€ 273.330,60 (davon € 200.214,05 zur Prävention von Gewalt gegen Frauen) und im Jahr 2021 bis zum 30.4. des Jahres € 6.488,40 ausbezahlt.
Die vom Land Niederösterreich ausbezahlten Mittel für Gewaltprävention in den Jahren 2018 bis 2020 dienten jeweils der Förderung der Frauenberatungsstellen, des NÖ Frauentelefons, der Migrantinnenberatung des Frauenhauses St. Pölten, dem Fortbildungsprojekt „Häusliche Gewalt: Schwerpunkt Frauen und Kinder – Gesundheitliche Folgen“ und geschlechtssensiblen Workshops für junge Frauen und Mädchen. Weiters werden von der Fachstelle für Gewaltprävention, welche bei der Abteilung Familien und Generationen angesiedelt ist, jeweils im Frühjahr und im Herbst Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte und MultiplikatorInnen angeboten. Zudem wird in Kooperation des Landes Niederösterreich, der Fachstelle für Gewaltprävention und der Pädagogischen Hochschule Baden jährlich ein Symposium gegen Gewalt zu spezifischen Themen veranstaltet. Überdies erfolgt im Rahmen der „16 Tage gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen“ jeweils im November in Kooperation mit „Orange the world“ und „Gewalt frei leben“ eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit. Im Jahr 2019 und 2020 haben auch verstärkt Medienkooperationen und Inseratenschaltungen stattgefunden, um auf das Thema „Gewalt gegen Frauen“ zu sensibilisieren und über bestehende Hilfs- und Beratungseinrichtungen zu informieren.
Im Jahr 2019 wurden vier verschiedene regionsspezifische Folder zum Thema „Du hast ein Recht auf ein gewaltfreies Leben“ im Scheckkartenformat herausgegeben, die über die relevanten Anlaufstellen in der Region informieren. In Kooperation mit der Firma Spar werden diese handlichen Folder in den Spar-Supermärkten aufgelegt. Darüber hinaus tragen auch viele andere Einrichtungen, wie Gemeinden, Bezirkshauptmannschaften, Frauenberatungsstellen, Frauenhäuser, Polizei, usw. bei der Verbreitung dieses Folders bei. 2020 wurde der Folder neu aufgelegt und der Verteilerkreis auf weitere öffentliche Einrichtungen, wie Apotheken, Ärzte, AMS, Hilfswerk NÖ erweitert und sind seit 2021 die Anlaufstellen auch auf den Info- Bildschirmen aller niederösterreichischen Landesklinken ersichtlich.
Des Weiteren wurde im Jahr 2019 der „Runde Tisch gegen Gewalt an Frauen“ ins Leben gerufen, bei dem verschiedene Stakeholder wie VertreterInnen aus den Opferschutzeinrichtungen, der Frauenberatung, der Täterarbeit, der Landespolizeidirektion NÖ, dem Kriminalamt NÖ, der Kinder- und Jugendhilfe, der Landesgesundheitsagentur NÖ sowie der Schulpsychologie und der Bildungsdirektion NÖ vernetzt werden und sich zu aktuellen Themen austauschen können. 2019 und 2020 wurden für die Teilnehmer auch ein weiterführender Workshop gegen Gewalt an Frauen angeboten. Heuer wurde dieser „Runde Tisch“ am 19. Mai abgehalten und es ist geplant, diesen auch auf regionale Ebene auszuweiten, damit auch die einzelnen Organisationen und die jeweiligen Ansprechpartner innerhalb einer Region vernetzt werden und in besseren Austausch treten können.
Als weiteres Ergebnis des „Runden Tisches“ wurde eine Interventionskette entworfen, die eine Handlungsanleitung bieten soll, wohin man sich in prekären Situation wenden kann und welche Informationsflüsse zwischen den Einrichtungen stattfinden. Dieses Infomaterial richtet sich nicht nur an Gewaltbetroffene, sondern generell an die Zivilbevölkerung und an MultiplikatorInnen und gibt somit auch einen Handlungsleitfaden für Menschen, die jemanden helfen wollen. Enthalten sind auch beispielhafte Fragestellungen, wie man möglicherweise von Gewalt betroffene Personen darauf ansprechen könnte. Denn nach wie vor ist häusliche Gewalt noch stark mit Scham behaftet. Betroffene sprechen selten das Thema von sich aus an. Dieser Handlungsleitfaden soll in Kürze fertiggestellt werden und begleitende Kommunikationsmaßnahmen sollen dabei helfen, einen möglichst großen Personenkreis über die bestehenden Hilfsmöglichkeiten zu informieren.
Darüber hinaus ist für das Jahr 2021 geplant, die bewährten Angebote, wie Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte und MultiplikatorInnen durch die Fachstelle für Gewaltprävention, das Symposium gegen Gewalt gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule Baden im November sowie die Kooperation mit „Orange the world“ während der „16 Tage gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen“ fortzuführen. Zudem wird das österreichweite Projekt „Life is better together – put your sign!“ an Schulen am Internationalen UNESCO Tag „International day against violence and bullying at school including cyberbullying“ aktiv unterstützt.
In den kommenden Jahren sollen die bestehenden Förderungen von Beratungsangeboten für Frauen weitergeführt werden. Daneben soll die Fachstelle für Gewaltprävention mit der Zielgruppe Jugendliche weiterhin eine wichtige Drehscheibe für MultiplikatorInnen darstellen und relevante Themen aufgreifen. Schwerpunkt in der Gewaltpräventionsarbeit werden die Informationen über konkrete Hilfestellungen und Hilfseinrichtungen sowie die Interventionskette sein, ebenso die Sensibilisierung für Ursachen und Formen der Gewalt, insbesondere hinsichtlich unterschiedlicher Geschlechterbilder und deren Einfluss auf Gewalt. Die Rolle von Kindern und Jugendlichen als Ziel bzw. als „ZeugInnen“ von häuslicher Gewalt soll vermehrt in den Blickpunkt gerückt werden.
Neben den finanziellen Mitteln, die das Land Niederösterreich für Gewaltprävention aufwendet, gilt es anzumerken, dass das Frauenbudget des Bundes im Jahr 2020 um 20 Prozent auf € 12,15 Millionen aufgestockt worden ist. Mit den zusätzlichen Mitteln wurde das Budget aller geförderten Frauenberatungsstellen um ca. 12 Prozent erhöht und ein Fördercall für gewaltspezifische Projekte in Höhe von insgesamt € 1,25 Millionen durchgeführt. Für 2021 erfolgte eine weitere Erhöhung dieses Budgets auf € 14,65 Millionen, was somit eine Steigerung von 43 Prozent gegenüber dem Jahr 2019 bedeutet. Ein großer Teil der Mittel aus dem Frauenressort kommt dem Gewaltschutz zugute, wobei auch ein Schwerpunkt auf den Kampf gegen neue Gewaltformen wie Cybergewalt und Hass im Netz gelegt wird.
Weiters läuft seitens des Bundes aktuell ein Förderaufruf, bei dem € 1,6 Millionen in Projekte und Initiativen fließen sollen, die in der Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt an Frauen und Mädchen tätig sind sowie Mädchen und Frauen unterstützen, die Opfer von geschlechtsspezifischer, kulturell bedingter oder häuslicher Gewalt geworden sind.
Mit freundlichen Grüßen
Christiane Teschl-Hofmeister e. h. Landesrätin