Spital: Schließungen &
Bettenabbau
Anfrage
der Abgeordneten Mag.a. Kollermann an Landeshauptfrau-Stellvertreter für Energie, Landeskliniken und Landwirtschaft Dr. Stephan Pernkopf
betreffend: Spitalsschließungen und Spitalsbettenabbau seit 2000 Landesrat Pernkopf vs. Gesundheitswissenschaft
Landeshauptfrau-Stellvertreter für Energie, Landeskliniken und Landwirtschaft Dr. Stephan Pernkopf ließ sich zu einer despektierlichen Kritik hinreißen. Seine Einschätzung war: „Die Gesundheitsökonomen haben jahrelang das Zusperren von ganzen Spitälern gefordert. Da kamen Forderungen, wie „Krankenhausträger müssen ganze Krankenhäuser schließen“ oder „Provinzkrankenhäuser haben wenig Sinn“, es sei sogar dumm an ihnen festzuhalten…“ Gott sei Dank haben wir nie auf diese vermeintlichen Propheten vertraut. Es braucht mehr Hausverstand in der Gesundheitspolitik“.
Doch die Vergangenheit zeigt, es kam zu Zusammenlegungen von Spitalsstandorten und Abteilungen aus Qualitätsgründen – siehe Wiener Spitalskonzept.
Bundeszielsteuerungsvertrag (BZV) und KH-Bettenabbau in NÖ
Im Bundeszielsteuerungsvertrag findet sich unter dem „Strategischen Ziel“ S1 folgende Zielsetzung „Stärkung der ambulanten Versorgung bei gleichzeitiger Entlastung des akutstationären Bereichs und Optimierung des Ressourceneinsatzes“, also weniger akutstationäre Versorgung, dafür mehr niedergelassene/ambulante Versorgung.
Konkretisiert wird der Abbau in den „Operativen Zielen“. So wird gem. „Operatives Ziel 1.3“ der Abbau der KH-Aufenthalte je 1000EW und der Spitalstage je 1000EW von mindestens 2% jährlich angestrebt (10). Da der jährliche Bevölkerungsanstieg in den Bundesländern zwischen 0% und 0,8% liegt, kann man daraus indirekt schließen, dass von den Zielsteuerungspartnern (Bund, Länder, Sozialversicherung) von einem geringeren Spitalsbettenbedarf ausgegangen wird. Die starke Bettenreduktion seit 2001 – Abbau: 6000 Betten, davon 300 in NÖ und 2000 in Wien – zeigt, dass Landeshauptfrau-Stellvertreter für Energie, Landeskliniken und Landwirtschaft Dr. Stephan Pernkopf anders handelt als er vorgibt.
Grundsätzlich ist die Umstrukturierung des Gesundheitsbereichs, hin zu mehr niedergelassener Versorgung, ein internationaler Trend. Der Spitalsbettenabbau, den die Vorgänger von Landesrat Pernkopf forciert haben, basiert also auf weltweiter Evidenz. Die Vorgehensweise wird von Gesundheitsökonomen und internationalen Organisationen (WHO, OECD, EU-Kommission, …) empfohlen, da sich eine stärkere niedergelassene Versorgung bei gleichzeitig weniger stationärem Angebot nicht in einer geringeren (gesunden) Lebenserwartung niederschlägt – siehe Skandinavien.
Im Gegenteil, denn die Spitalsversorgung ist nicht immer die optimale. So sterben in Österreich knapp 5000 Menschen an Krankenhauskeimen, wie Experten und die Patientenanwaltschaft kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie berichteten. Oft handelt es sich dabei um Fälle, die auf Versorgungslücken im nur schwach ausgeprägten niedergelassenen Bereich zurückzuführen sind. Beispielsweise eine fehlende flächendeckende, strukturierte Diabetesversorgung. Ein Umstand, der in Österreich jährlich zu über 1000 Fußamputationen führt, welche im Schnitt 50 Tote fordern, unter anderem bedingt durch Krankenhauskeime. Auch viele „unnötige“ Operationen in den österreichischen Spitälern führen zu vielen vermeidbaren Todesfällen (Kniegelenk, Blinddarm, Mandeln, …).
Schlussendlich hat die Pandemie gezeigt, dass die knapp 3000 Intensivbetten und die Intensivversorgung der entscheidende Faktor sind – dafür sind Spitäler da – nicht die knapp 44.000 bis 64.000 allgemeinen Spitalsbetten. Darum hatte selbst Schweden, das keinen „Lockdown“ hatte und nur ein Drittel der österreichischen Spitalsbetten je Einwohner besitzt, in der Corona-Pandemie nie einen Spitalsbetten-Engpass.
Die unterfertigte Abgeordnete stellt daher folgende
Anfrage
1. Haben Sie sich, Herr Landesrat Dr. Pernkopf, bei den Gesundheitswissenschaftlern, für die oben angegebene Aussage entschuldigt?
2. Vertrauen Sie den Erkenntnissen der österreichischen Gesundheitswissenschaft?
3. Wie hat sich die Zahl der „tatsächlich aufgestellten KH-Betten“ in den niederösterreichischen Landeskliniken seit 2000 entwickelt? (Bitte um Darstellung je Jahr und Landesklinikstandort)
4. Wie hat sich die Zahl der quellbezogenen und zielbezogenen KH-Aufenthalte in den niederösterreichischen Landeskliniken seit 2000 entwickelt? (Bitte um Darstellung je Jahr und Landesklinikstandort)
Beantwortung
Dr. Stephan Pernkopf
LH-Stellvertreter
Herrn
Präsident des NÖ Landtages
Mag. Karl Wilfing
St. Pölten, am 22. Sept. 2020
im Hause LHSTV-P-L-397/182-2020
Sehr geehrter Herr Präsident!
Zur Anfrage der Abgeordneten Mag. Edith Kollermann betreffend Spitalsschließungen und Spitalsbettenabbau seit 2000, zu Zahl Ltg.-1209/A-4/160-2020, darf ich folgende Beantwortung, soferne mein Zuständigkeitsbereich betroffen ist und dies dem Anfragerecht unterliegt, übermitteln:
Die tatsächlich aufgestellten Betten können erst ab dem Jahr 2004 flächendeckend dargestellt werden, da in der aktuell verfügbaren Datenquelle (LKF-Datenbank) keine Daten vor 2004 vorhanden sind. Im Zeitraum 2004 bis 2019 haben sich bei Betrachtung aller niederösterreichischen Landes- und Universitätskliniken die tatsächlich aufgestellten Betten um 5,1 % reduziert. (Darstellung siehe Beilage)
Die stationären Aufenthalte können erst ab dem Jahr 2004 flächendeckend dargestellt werden, da in der aktuell verfügbaren Datenquelle (LKF-Datenbank) keine Daten vor 2004 vorhanden sind. Im Zeitraum 2004 bis 2019 haben sich bei Betrachtung aller niederösterreichischer Landes- und Universitätskliniken die stationären Aufenthalte um 7,3 % reduziert.
(Darstellung siehe Beilage)
Die Anzahl und die Dauer der stationären Aufenthalte hat sich aufgrund des medizinischen Fortschritts in einem höheren Ausmaß als die tatsächlich aufgestellten Betten reduziert. Zudem wurde die Reduktion der stationären Aufenthalte im Betrachtungszeitraum durch Verlagerungen im Leistungsgeschehen vom stationären in den ambulanten Bereich beeinflusst.
Mit freundlichen Grüßen
LH-Stv. Dr. Stephan Pernkopf eh.
Beilage