Reformpotenzial im
Rettungswesen
Anfrage
der Abgeordneten Mag.a Edith Kollermann an Ulrike Königsberger-Ludwig, Landesrätin für Soziale Verwaltung, Gesundheit und Gleichstellung gemäß § 39 Abs. 2 LGO 2001
betreffend: Reformpotenzial im Rettungswesen
In ganz Österreich häufen sich seit Monaten Hilferufe der Notfallorganisationen. Speziell im Rettungswesen gibt es eklatante Probleme. (vgl. Das Rettungswesen – ein Notfallpatient – Materie) Besonders schwerwiegend sind die Anstiege bei Ambulanztransporten, die personalintensiv sind, aber kaum eine medizinische Funktion erfüllen und ein Kostentreiber im Gesundheitssystem sind. Erschwerend hinzu kommt, dass Terminkrankenfahrten für Rettungswesen und Personal eine zusätzliche Belastung darstellen. Ehrenamtliche Mitarbeiter:innen gibt es immer weniger. Auch Stornierungen nehmen Sanitäter:innen zufolge zu, Einsätze oder zumindest Einrückungen werden in solchen Fällen aber dennoch veranlasst und kosten so Energie, Zeit und Geld. Das alles führt zu massiven Kostensteigerungen.
Doch es gibt verschiedene Hebel, wie eine Reform aussehen könnte. Vorschläge setzen bei der Ausbildung von Sanitäter:innen oder Pflegekräften an, um kleinere Kontrollen durch mobile Pflegekräfte erledigen zu lassen und weniger Transporte zu benötigen. Die flächendeckende Ausweitung der Acute Community Nurses nach dem Pilotprojekt in Bruck an der Leitha ist ein positives Beispiel. Möglich wäre auch eine Trennung von Rettungs- und Sanitätswesen, ein Ausbau von telefonischer Beratung zur Koordinierung von Patientenströmen (wie ursprünglich mit 1450 angedacht) oder ein Ausbau der hausärztlichen Notdienste.
Die Gefertigte stellt daher an Landesrätin für Soziale Verwaltung, Gesundheit und Gleichstellung Ulrike Königsberger-Ludwig folgende
Anfrage
1. Kann auf Basis der vorhandenen Einsatzzahlen analysiert werden, wie
a. viele Stornierungen von Einsätzen es gibt? (Falls ja: Bitte um Aufschlüsselung nach Einsatzart, Trägern und Jahren seit 2013)
b. viele Belassungen es bei Einsätzen gibt? (Falls ja: Bitte um Aufschlüsselung nach Einsatzart, Trägern und Jahren seit 2013)
c. viele NACA <4 Versorgungen es mit Notarzteinsatzfahrzeugen gibt? (Falls ja: Bitte um Aufschlüsselung nach Trägern und Jahren)
d. viele Alarmierungen von Notarzteinsatzfahrzeugen es ohne weitere Versorgung gibt? (Falls ja: Bitte um Aufschlüsselung nach Trägern und Jahren seit 2013)
e. sich die Auslastungszahlen im Tagesverlauf entwickelt haben? (Falls ja: Bitte um Aufschlüsselung nach Trägern, Einsatzmitteln und Jahren seit 2013) Landtag von Niederösterreich Landtagsdirektion Eing.: 27.04.2023 Ltg.-40/A-5/9-2023
f. Falls zu a. – e. nein: welche sonstigen Maßnahmen hat das Land getroffen, um das Rettungswesen evidenzbasiert zu steuern und weiterzuentwickeln?
2. Wurde bereits eine Strategie entwickelt, wie die sich verändernden Strukturen im Rettungswesen ohne Qualitätseinbußen weiterentwickelt bzw. angepasst werden sollen?
a. Falls ja: Welche Systembeteiligten wurden in den Gestaltungsprozess eingebunden?
b. Falls ja: Wie sieht die entwickelte Strategie aus und wann bzw. in welchen Schritten soll diese umgesetzt werden?
c. Falls nein: Warum wurde noch keine Strategie entwickelt?
3. Welche Maßnahmen zur besseren Steuerung von Patientenströmen im Rettungswesen wurden bisher durch den Landessanitätsrat vorgelegt?
4. Welche Auswirkungen hatte die Umstellung auf das Normkostenmodell bezüglich der NÖKAS-Umlage für das Jahr 2021 für den Rettungsdienst?a. Welcher Anteil dieser NÖKAS-Beträge ist für den Rettungsdienst vorgesehen? (Bitte um Angabe der Entwicklung dieses Anteils in Prozent, sowie in absoluten Zahlen pro Jahr seit 2021)
b. Welche Folge hatte die Umstellung 2020 für die Budgetentwicklung des Rettungsdienstes?
5. Welche Maßnahmen wurden innerhalb der Krankenhauslandschaft oder der mobilen/ niedergelassenen Versorgung gesetzt, um die Anzahl der Ambulanztransporte zu reduzieren?
6. Welche Maßnahmen wurden in Niederösterreich bisher gesetzt, um 1450 wieder in einen Regulärbetrieb zur Steuerung von Patientenströmen zu bringen?
7. Gab es seitens der Landesrätin bereits Absprachen mit anderen Bundesländern, ob das Rettungswesen als Thema in den Verhandlungen zum Finanzausgleich behandelt werden soll?
a. Falls ja: Welche Aspekte sollen prioritär verhandelt werden?
b. Falls nein: Warum nicht?
8. Gibt es Bestrebungen, die Finanzierung zwischen Rettungs-, Sekundär- und Sanitätseinsatz sowie Ambulanzeinsatz zu trennen?
a. Falls ja: Wie sehen die konkreten Maßnahmen aus und wie ist der Zeitplan?
b. Falls nein: Warum nicht?
9. Seitens des BMSGPK soll nach Ankündigungen von Bundesminister Rauch ein „Runder Tisch“ zur Reform des Sanitätsgesetzes stattfinden, um die Problemlage im Rettungswesen etwas zu verbessern. Wurden Vertreter des Landes Niederösterreichs dazu eingeladen?
a. Welche Position hat das Land Niederösterreichs zu einer Reform des Sanitätergesetzes?
b. Falls es eine derartige Einladung durch das BMSGPK gibt: Welche Vertreter des Landes Niederösterreichs nehmen an diesem Termin teil?
10. In welchem Ausmaß waren Standorte der Rettung in NÖ nicht oder nur teilweise besetzt? (Bitte um Angabe pro Standort und Jahr seit 2013 per VZÄ) a. Welche Auswirkungen hatte die jeweilige Besetzungskapazität (auf Basis von VZÄ) auf die Einsatzzeiten der einzelnen Standorte? (Bitte um Angabe pro Standort und Jahr seit 2013 per VZÄ)
Beantwortung
Ulrike Königsberger-Ludwig
Landesrätin für Soziale Verwaltung, Gesundheit und Gleichstellung
Herrn Präsidenten des
NÖ Landtages
Mag. Karl Wilfing Im Hause
St. Pölten, am 7. Juni 2023
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident!
Die im Rahmen der Landtagsanfrage der Abgeordneten Mag.a Edith Kollermann betreffend Reformpotenzial im Rettungswesen, Ltg.-40/A-5/9-2023, eingebracht am 27. April 2023, an mich gerichteten Fragen beantworte ich in meinem Zuständigkeitsbereich wie folgt:
1. Kann auf Basis der vorhandenen Einsatzzahlen analysiert werden, wie a. viele Stornierungen von Einsätzen es gibt? (Falls ja: Bitte um Aufschlüsselung nach Einsatzart, Trägern und Jahren seit 2013)
Durch eine Umstellung der Dokumentation können viele Zahlen erst ab 2019 in der gewünschten Granularität zur Verfügung gestellt werden. Insgesamt ist die Art der Fragestellung und die unkommentierte Übermittlung dieser Ergebnisse nicht geeignet, Rückschlüsse über die Qualität der Disposition oder des Rettungsdienstes zu ziehen. Die Bewertung der Zahlen ist nur in Zusammenschau weiterer Parameter und ausführlicher Systemkenntnis aussagekräftig.
Valide Zahlen können im Zeitraum 2019 – 2022 wie folgt vorgelegt werden. Diese basieren auf den entsprechend dokumentierten Einsätzen.
b. viele Belassungen es bei Einsätzen gibt? (Falls ja: Bitte um Aufschlüsselung nach Einsatzart, Trägern und Jahren seit 2013)
Valide Zahlen können im Zeitraum 2019 – 2022 wie folgt vorgelegt werden. Diese basieren auf den entsprechend dokumentierten Einsätzen.
c. viele NACA <4 Versorgungen es mit Notarzteinsatzfahrzeugen gibt? (Falls ja: Bitte um Aufschlüsselung nach Trägern und Jahren)
Die NACA Einstufung wurde in den 1950er von der namensgebenden National Advisory Committee for Aeronautics zur Einteilung von Opfern von Luftfahrtunfällen entwickelt. Die aktuelle Notfallmedizinische Literatur bewertet den NACA-Score übereinstimmend für die retrograde Beurteilung von Einsatzindikationen ohne die Berücksichtigung weiterer Parameter als nicht geeignet.
Versorgungen <NACA 4:
2014: 11128
2015: 12862
2016: 12753
2017: 17062 2018: 20157
2019: 20687
2020: 17878
2021: 18664
d. viele Alarmierungen von Notarzteinsatzfahrzeugen es ohne weitere Versorgung gibt? (Falls ja: Bitte um Aufschlüsselung nach Trägern und Jahren seit 2013)
Sobald ein Notarztmittel einen Patienten antrifft, erfolgt eine standardisierte Untersuchung zur Beurteilung der weiteren Vorgehensweise. Sollte aufgrund der Untersuchung oder Behandlung eine Belassung vor Ort entschieden werden, ist auch dies eine Form der Versorgung.
e. sich die Auslastungszahlen im Tagesverlauf entwickelt haben? (Falls ja: Bitte um Aufschlüsselung nach Trägern, Einsatzmitteln und Jahren seit 2013)
Generell sind die tageszeitabhängigen Schwankungen im langjährigen Rhythmus weitgehend unverändert. Die Fahrzeugauslastung, also die pro Schicht gerechnete reale Einsatzzeit in Relation zur maximal möglichen Nutzung pro Fahrzeug für alle Fahrzeuge in Niederösterreich über mehrere Jahre erfordert jedoch eine hochkomplexe Auswertung, die nur mit längerer Vorlaufzeit möglich ist.
f. Falls zu a. – e. nein: welche sonstigen Maßnahmen hat das Land getroffen, um das Rettungswesen evidenzbasiert zu steuern und weiterzuentwickeln?
Siehe Frage 2
2. Wurde bereits eine Strategie entwickelt, wie die sich verändernden Strukturen im Rettungswesen ohne Qualitätseinbußen weiterentwickelt bzw. angepasst werden sollen?
a. Falls ja: Welche Systembeteiligten wurden in den Gestaltungsprozess eingebunden?
b. Falls ja: Wie sieht die entwickelte Strategie aus und wann bzw. in welchen Schritten soll diese umgesetzt werden?
c. Falls nein: Warum wurde noch keine Strategie entwickelt?
Das Land hat 2018 eine umfassende Studie über das NÖ Rettungswesen in Auftrag gegeben. Auf Grundlage dieser Studie wurde das Normkostenmodel entwickelt und 2020 ein Gesamtvertrag mit den Rettungsorganisationen, dem Land und den Gemeinden abgeschlossen. Im Rahmen der Studie wurden die aktuellen Entwicklungen berücksichtigt. Die Studie wurde unter Einbeziehung aller Beteiligten durchgeführt. Weiters wurde eine jährliche Evaluierung des Rettungsdienstvertrages vereinbart. Bestandteil der Evaluierung ist die Zusammensetzung der personellen und technischen Ausstattung sowie die Anzahl der Fahrzeuge. Somit wird jährlich auf den aktuellen Bedarf im Regelrettungswesen abgestellt, um ein möglichst rasches Reagieren auf Änderung der Bedarfssituation zu ermöglichen.
Weiters wird durch die Leitstelle verbindlich die Ausrückordnung vorgegeben. Diese wird ständig evaluiert und an den aktuellen Erfordernissen angepasst. Wird z.B. eine Häufung von Fehleinsätzen im Rahmen des Monitorings festgestellt, kann durch Anpassung der Ausrückordnung, unter Berücksichtigung unterschiedlicher Faktoren, entgegengewirkt werden.
Weiters wird aktuell an neuen Überlegungen im Rahmen der Notfallversorgung/ Akutversorgung gearbeitet.
3. Welche Maßnahmen zur besseren Steuerung von Patientenströmen im Rettungswesen wurden bisher durch den Landessanitätsrat vorgelegt?
Der Landessanitätsrat wird erst am Ende des Prozesses mit einem konkreten Vorschlag zur künftigen Notfall-/Akutversorgung befasst werden.
4. Welche Auswirkungen hatte die Umstellung auf das Normkostenmodell bezüglich der NÖKAS-Umlage für das Jahr 2021 für den Rettungsdienst?
Die NÖKAS-Umlage hat sich erhöht.
a. Welcher Anteil dieser NÖKAS-Beträge ist für den Rettungsdienst vorgesehen? (Bitte um Angabe der Entwicklung dieses Anteils in Prozent, sowie in absoluten Zahlen pro Jahr seit 2021)
Die entsprechende Regelung sowie die Beitragszahlen können dem NÖ Rettungsdienstgesetz 2017 aus den §§ 9 ff und dem NÖ KAG entnommen werden.
b. Welche Folge hatte die Umstellung 2020 für die Budgetentwicklung des Rettungsdienstes?
Aufgrund der Umstellung des Finanzierungsmodels kann dazu keine Aussage getroffen werden.
7. Gab es seitens der Landesrätin bereits Absprachen mit anderen Bundesländern, ob das Rettungswesen als Thema in den Verhandlungen zum Finanzausgleich behandelt werden soll?
a. Falls ja: Welche Aspekte sollen prioritär verhandelt werden?
b. Falls nein: Warum nicht?
Das Land und die Gemeinden sind für die Sicherstellung des Rettungs- und Krankentransportes in ihrem Bereich zuständig. Die Finanzierung erfolgt gesamt, da eine Teilung nicht zweckmäßig erscheint. Die Definition Sekundäreinsatz, Sanitätseinsatz und Ambulanzeinsatz sind nicht bekannt.
9. Seitens des BMSGPK soll nach Ankündigungen von Bundesminister Rauch ein „Runder Tisch“ zur Reform des Sanitätsgesetzes stattfinden, um die Problemlage im Rettungswesen etwas zu verbessern. Wurden Vertreter des Landes Niederösterreichs dazu eingeladen?
a. welche Position hat das Land Niederösterreich zu einer Reform des Sanitätergesetzes?
b. Falls es eine derartige Einladung durch das BMSGPK gibt: Welche Vertreter des Landes Niederösterreichs nehmen an diesem Termin teil?
Es gab diesbezüglich eine Kick-off Veranstaltung wohin ein Vertreter des Landes NÖ entsendet wurde. Für allfällige weitere Termine steht das Land NÖ selbstverständlich mit seiner Expertise zur Verfügung.
10. In welchem Ausmaß waren Standorte der Rettung in NÖ nicht oder nur teilweise besetzt? (Bitte um Angabe pro Standort und Jahr seit 2013 per VZÄ) a. Welche Auswirkungen hatte die jeweilige Besetzungskapazität (auf Basis von VZÄ) auf die Einsatzzeiten der einzelnen Standorte? (Bitte um Angabe pro Standort und Jahr seit 2013 per VZÄ)
Im Rettungsdienstvertrag wurde eine Anzahl von Fahrzeugen mit regionaler Zuteilung vereinbart. An welchen Standorten diese exakt stationiert sind ist für die Niederösterreicher*innen nicht versorgungsrelevant. Vielmehr ist eine standortübergreifende Gebietsabdeckung notwendig, um eine Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Mit freundlichen Grüßen
Königsberger-Ludwig e.h.