NÖ Klimaschutzgesetz

19. Dezember 2022

Dringlichkeitsantrag

der Abgeordneten Mag. ª Collini, Mag.ª Suchan-Mayr, Mag. a. Kollermann, MA, Hundsmüller, Mag. Hofer-Gruber, Pfister, Mag. Samwald, Razborcan, Mag. ª Renner, Rosenmaier,  Mag.ª Scheele, Schindele, Schmidt, Weninger, Wiesinger und Windholz, MSc

gemäß § 33 Abs. 1 LGO 2001

betreffend: Niederösterreichisches Klimaschutzgesetz – rasch Maßnahmen zum Klimaschutz setzen

Zur Dringlichkeit:

Die Auswirkungen des Klimawandels sind vielfältig und bereits massiv spürbar. Die Durchschnittstemperaturen werden in Österreich bis zur Mitte dieses Jahrhunderts noch weiter ansteigen. Zu erwarten sind heiße, trockenere Sommer mit etwa doppelt so vielen Tagen über 30 Grad Celsius wie bisher. Die Winter werden im Durchschnitt weniger kalt und damit weniger schneereich werden, vor allem ist eine Abnahme der Tage mit Schneebedeckung zu erwarten. Die alpinen Gletscher haben in den letzten 100 Jahren bereits rund 50 Prozent ihres Eises aufgrund von Temperaturanstieg und veränderter Niederschlagssituation verloren. Eine Fortsetzung dieses Trends wird erwartet. Der sichtbare Rückgang der Gletscher in den Alpen bedeutet einen Verlust natürlicher Wasserspeicher.

Nicht zu unterschätzende Gefahren für die Gesundheit des Menschen ergeben sich etwa aufgrund des direkten Hitzestresses im Sommer (einschließlich geringer nächtlicher Abkühlung), aber auch durch die geänderte Verbreitung von bisher nur in wärmeren Regionen der Welt vorhandenen Krankheitserregern bzw. deren Überträgern.

Die Land- und Forstwirtschaft gehört zu den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Aktivitätsfeldern. Aufgrund der zunehmenden Trockenheit und der erhöhten Klimavariabilität werden Ertrags- sowie Qualitätseinbußen und abnehmende Ertragssicherheit zum normalen Wirtschaften gehören. Auszugehen ist auch von einer rascheren Entwicklung von Schadinsekten, wobei sich wärmeliebende Arten stark nach Norden ausbreiten. Die Fichte als häufigste heimische Baumart ist der große Verlierer des Temperaturanstiegs. Durch den zunehmenden Trockenstress und vermehrten Schädlingsbefall kommt sie stark unter Druck. Vielerorts kommt es auch zum Verlust der Schutzfunktion des Bergwalds. Waldbrände im Sommer könnten, ähnlich wie bereits jetzt im Mittelmeerraum, zu einer Bedrohung in Österreich werden.

Weitere mögliche Konsequenzen eines weiteren Temperaturanstiegs sind im Alpenraum:

  •   wachsende Intensität und Frequenz von Niederschlägen sowie mehr Hagel, aber auch mehr Dürreperioden,
  •   Verringerung des Bodenwassergehalts, Hochwasser, Murenabgänge, Gletscherrückgang,
  •   Schädlingsinvasionen etc.
  •   Weiters führt der Anstieg der Permafrostgrenze zu einer zunehmenden Gefahr von Bergstürzen in unseren alpinen Regionen.Niederösterreich soll all seine klima- und energiepolitischen Instrumente nutzen um die Klimaneutralität Österreichs 2040 und ein faires 1,5°C-Kohlenstoffbudget optimal zu unterstützen und damit alles tun was ein Land für den Klimaschutz tun kann. Es müssen daher jetzt rasch seitens des Landes Niederösterreich Maßnahmen gesetzt werden, um sicherzustellen, dass die Auswirkungen des Klimawandels soweit wie möglich eingedämmt werden können.

Inhaltliche Ausführungen:

Der Kampf gegen den Klimawandel ist die größte gesellschaftliche Herausforderung unserer Zeit. Bund, Land und Gemeinden spielen im Klimawandel eine zentrale Rolle. Sie sind der Schlüssel der Transformation.

Der aus dem Jahr 2019 stammenden und nunmehr in Überarbeitung befindliche „Niederösterreichische Klima- und Energiefahrplan 2020 bis 2030“ aus dem Jahr 2019, das Regierungsprogramm der Türkis-Grünen Bundesregierung sowie die Fitfor55 Vorgaben der Europäischen Union geben den Rahmen vor. Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 tatsächlich erreichen zu können, müssen weitere Beschlüsse folgen, die neben Absichtserklärungen, konkret messbare und vor allem auch rechtlich verbindliche Zielvorgaben enthalten, um nicht zu Lasten kommender Generationen zu scheitern.

Rechtliche Verbindlichkeit ist hier der das Kernargument – dabei kann man sich auch an anderen Gebietskörperschaften orientieren, dies bereits umgesetzt haben (so z.B. das baden-württenbergische Klimaschutzgesetz aus dem Jahre 2013).

Ziel muss also ein gesetzlich festgelegter Niederösterreichischer Fahrplan zur Klimaneutralität 2040 sein, der unter dem Titel NÖ Klimaschutzgesetz alle „Energie- und Klimaziele“ des Landes unter einem legistischen Dach vereint.

Mit diesem Gesetz sollen Ziele zur Reduktion der Treibhausgasemissionen in Niederösterreich verbindlich festgelegt, Klimaschutzgrundsätze für das Land, Landesunternehmen und Landesbeteiligungen konkretisiert und Klarheit über die notwendige Umsetzungsinstrumente geschaffen werden. Auf Basis der Ziele dieses Gesetzes wird parallel zum Finanzbudget ein Klimabudget für Niederösterreich (Carbon Budget) geführt.

Klimapolitik mit verbindlichen Zielen, mehr Transparenz und klaren Verantwortungen wirkt sich auch positiv auf den Wirtschaftsstandort Niederösterreich aus. Dies vor allem durch höhere Planungssicherheit für Unternehmen und mehr Handlungsspielraum für Innovationen und langfristige Projekte.

1. Klimabudget für Niederösterreich (Carbon Budgeting)

Das Klimabudget (Carbon Budget) soll hier gesetzlich verankert werden.

Auf Basis der Ziele des Gesetzes wird parallel zum Finanzbudget ein Klimabudget geführt. Das Klimabudget wird gemeinsam mit dem Finanzbudget erstellt und beschlossen. Für das Klimabudget ist die Landesregierung genauso wie für das Finanzbudget verantwortlich und muss dieses dem Landtag zum Beschluss zufuhren.

Auf Basis des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes wird die zulässige Gesamtmenge an Treibhausgasemissionen für NÖ bis 2040 definiert. Daraus wir ein THG Reduktionspfad abgeleitet, der jährliche Soll-Vorgabe definiert. Diese werden im jährlichen Klimabudget festgeschrieben und für alle relevanten Bereiche (Verkehr, Gebäude, Energie, etc.) die zulässigen Emissionsmengen festgelegt. Die Landesregierung hat mit geeigneten Maßnahmen sicherzustellen, dass diese Budget- Vorgaben eingehalten werden.

Werden die vorgesehenen ,,Klimaausgaben“ überschritten, ist das ein Vorgriff auf das verbleibende Budget, was die zulässigen Mengen in den Folgejahren entsprechend verringert. Umgekehrt kann eine Übererfüllung der Budget Ansätze (höhere Einsparungen) den Rücklagen zugewiesen werden, die in den Folgejahren genutzt werden können.

Klimaschutz als verpflichtender Grundsatz und Zielsetzung für die Landesregierung und ausgegliederte Rechtsträger.

Der öffentlichen Hand kommt beim Klimaschutz in ihrem Organisationsbereich eine besondere Vorbildfunktion zu: z.B. nachhaltige Beschaffung, Nachhaltiges Bauen, Energieeffizienz und Nutzung Erneuerbarer, klimaneutraler Fuhrpark (z.B. vorwiegend Elektroautos als Dienstfahrzeuge), etc.

Niederösterreich setzt sich zum Ziel, die Landesverwaltung sowie die öffentlichen Unternehmen bis zum Jahr 2030 weitgehend klimaneutral zu organisieren. Ausgenommen hiervon sind nur Unternehmen aus der Energieproduktion.

Dazu hat jedes Unternehmen mit Landesbeteiligung ein Klimaschutzprogramm zu erstellen, das sich an den Zielen des Landes orientiert, dieses umzusetzen und zumindest alle zwei Jahre zu evaluieren sowie jährlich zu berichten (Klimaschutzbericht).

2. Weitere Inhalte des niederösterreichischen Klimaschutzgesetzes

  • Bereitstellung von deutlich über 100% des Gesamtenergieverbrauchs (Bruttoinlandsverbrauch) von Niederösterreich (derzeit rund 70 TWh) bis 2040 mit erneuerbarer Energie um auch andere Bundesländer wie etwa Wien bei Bedarf mitversorgen zu können
  • Absenkung der Treibhausgasemissionen (CO2-Äquivalente) auf Basis 1990 (UBA-BLI) um mindestens 60% bis 2030 samt Verbot der Kompensation von Treibhausgasemissionen
  • 100 prozentiger Ausstieg aus fossilen Treibhausgasemissionen bis 2040 für die gesamten fossilen Treibhausgasemissionen in allen Sektoren
  • Jährlicher Emissionsbericht einer unabhängigen Institution z.B. Umweltbundesamt
  • Einrichtung eines niederösterreichischen Klimagremiums mit nachstehenden (exemplarisch angeführten) Aufgaben:
  • Beratung der Landeshauptfrau / des Landeshauptmannes und der übrigen Mitglieder der Landesregierung in Grundsatzfragen der Klimapolitik
  • Beratung und Unterstützung Niederösterreichischer Schlüsselfiguren aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft betreffend die Weiterentwicklung einer wirkungsvollen Klimapolitik
  • Befassung mit den neuesten Entwicklungen im Bereich städtischer und ländlicher Klimapolitik im Austausch mit themenrelevanten Organisationen auf lokaler bis internationaler Ebene
  •  Identifikation von Initiativen, Projekten und Programmen zur Erreichung der klimapolitischen Ziele und strategische Beratung
  • Vertiefung von Dialog und Transparenz in der Niederösterreichischen Klimapolitik, Plattform für einen kreativen Stakeholder-Dialog und für die Entwicklung von klimarelevanten Allianzen.

3. Bewusstseinsbildung und Information zum Klimaschutz

Jede:r soll nach ihren/seinen Möglichkeiten zur Verwirklichung der Klimaschutzziele, insbesondere durch Energieeinsparung und Nutzung erneuerbarer Energien beitragen.

Das allgemeine Verständnis für die Ziele des Klimaschutzes ist mit geeigneten Mitteln zu fördern. Die kommunalen und privaten Erziehungs-, Bildungs- und Informationsträger sollen im Rahmen ihrer Möglichkeiten über Ursachen und Bedeutung des Klimawandels sowie die Aufgaben des Klimaschutzes aufklären und das Bewusstsein für einen sparsamen Umgang mit Energie fordern und fördern. (so wie z.B. im Themenfeld Bildung in der Smart City Wien Rahmenstrategie festgelegt).

4. Maßnahmen für klimaschonendes Bauen und Wohnen

Gebäude sind ein Schlüsselsektor nicht nur für die Erreichung der Klimaziele, sondern auch für den Erhalt von Biodiversität, den Schutz von Landschaft und andere ökologische Zielsetzungen. Das NÖ Klima- und Energieprogramm 2030 sollte konkretisiert und mit den Klimazielen des Bundes abgestimmt werden. Die im NÖ Klima- und Energieprogramm 2030, Maßnahmenperiode 2021 bis 2025 angeführten Handlungsfelder sind zu begrüßen, sind aber (noch) zu wenig ambitioniert, die Dekarbonisierung (Saldo) des niederösterreichischen Gebäudebestands entsprechend dem Regierungsprogramm auf Bundesebene bis 2040 sollte auch landesrechtlich festgelegt und konkretisiert werden. Neben einer Weiterentwicklung der Sanierungsförderung sollten die Schaffung neuer Instrumente der Sanierungsbegleitung enthalten sein. Die Dekarbonisierung und Ökologisierung der Eigenheime hat die mit großem Abstand größten Potenziale innerhalb des Gebäudesektors. Auch sollte die Förderung zur Umrüstung auf nachhaltige Heizsysteme (zB Photovoltaik) stärker als bisher gefördert werden, um den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen schneller vollziehen zu können.

Der jährliche Flächenverbrauch ist allein in Niederösterreich so groß wie als Regierungsziel für gesamt Österreich angestrebt wird. Eine drastische Reduktion ist von vorrangiger Bedeutung für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung. Dafür stehen vielfältige Instrumente zur Verfügung. Besonders vielversprechend ist die Koppelung von raumordnerischen Instrumenten mit der Wohnbauförderung. Viele andere Bundesländer haben bereits rechtliche Grundlagen für eine Widmungskategorie „Gemeinnütziger Wohnbau“ oder Ähnliches geschaffen. In der Wohnbauförderung sollte flächensparendes Bauen finanziell angereizt werden. Besonders wichtig ist geförderter Mehrwohnungsbau in den Ortskernen, nicht nur, weil hier kein zusätzlicher Boden versiegelt wird, sondern auch zur Belebung der Ortszentren samt der dortigen Infrastruktur. Dies ist teurer und aufwändiger als am Ortsrand und muss entsprechend finanziell unterstützt werden.

Ein wesentlicher Faktor ist der Flächenverbrauch im Rahmen der Wohnbauförderung. Einige Bundesländer haben schon eigene Lösungsansätze entwickelt. Kärnten etwa gewährt bei Eigenheimen über 130m2 keine Förderung mehr, im Burgenland wird „nur“ noch bis 200m2 voll gefördert, verdichtete Bauweisen und Nachverdichtung werden angereizt. In Tirol ist die Förderung von Eigenheimen schon seit Langem vom Grundflächenverbrauch abhängig, hier nimmt die Förderhöhe stufenweise mit dem Flächenverbrauch pro Wohneinheit ab, wodurch verdichtete Bauweisen stark begünstigt werden. Salzburg ist jüngst diesem Beispiel gefolgt und führte Anfang 2020 Anreize für geringeren Flächenverbrauch ein.

Bis in die 1990er Jahre gab es in der niederösterreichischen Wohnbauförderung wirksame Anreize für eine Größenbegrenzung von Eigenheimen bei ca. 130m2. Mittlerweile ist die Förderung nicht mehr von der Nutzfläche abhängig, folglich hat das durchschnittliche neu errichtete, geförderte Eigenheim 180m2 und mehr. Dadurch ergeben sich auch für kleinere Baugrundstücke keine entsprechenden Anreize.

Die Gefertigten stellen daher den

Antrag

Der Hohe Landtag wolle beschließen:
„I. Die Landesregierung wird aufgefordert, alle erforderlichen Schritte zu setzen, damit

  1. in Niederösterreich ein Klimaschutzgesetz erlassen werden kann, welches insbesondere nachstehende Punkte zum Inhalt hat:

    a. ein Klimabudget, welches

    i. alle klimarelevanten Beschlüsse des niederösterreichischen
    Landtages mit einer CO2-Haushaltsberechnung hinterlegt;

    ii. die Auswirkung der einzelnen Vorhaben auf das Klima
    berücksichtigt;

    iii. parallel zum Fiskalhaushalt erstellt sowie

    iv. erstmalig gemeinsam mit dem nächsten Voranschlag
    beschlossen und somit verbindlich werden kann;

    v. Qualifizierung und falls erforderlich Aufstockung des Personals sicherstellt, welches für die Berechnung/Abwicklung des Klimabudgets in der Landesverwaltung tätig ist;

    b. die Klimaneutralität des Landes samt Ausstieg aus den fossilen Treibhausgasemissionen bis 2040 samt Verbot der Kompensation von Treibhausgasemissionen sowie die Vorlage eines jährlichen Emissionsberichts und die Einrichtung eines Klimagremiums normiert;

    2.durch Bewusstseinsbildung und umfassende Information für die Bevölkerung das allgemeine Verständnis für

    a. die Ziele des Klimaschutzes;
    b. die Ursachen und Bedeutung des Klimawandels und
    c. das Bewusstsein für einen sparsamen Umgang mit Energie mit geeigneten Mitteln gefördert wird;

    3. im Rahmen der Raumordnung, Bauordnung und der Wohnbauförderung
    sämtliche Maßnahmen, welche rasch
    a. die Dekarbonisierung des Gebäudebestandes in Niederösterreich
    inklusive des Ausstieges aus fossilen Energieträgern;
    b. die Reduktion der Flächenversiegelung und
    c. die Forcierung der (Nach-)Verdichtung in den Ortszentren ermöglichen gesetzt werden.

    II. Die Landesregierung wird aufgefordert, an die Bundesregierung, insbesondere an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie heranzutreten und diese aufzufordern, endlich – nach über 714 Tagen, also fast zwei Jahren Verzögerung und zahllosen diesbezüglichen Ankündigungen – eine Regierungsvorlage über ein Bundes-Klimaschutzgesetz zu erstellen und dem Nationalrat zur Behandlung zuzuleiten.“

    Gemäß § 33 LGO 2001 wird beantragt, dass dieser Antrag im Landtag ohne Ausschussberatung zur Behandlung gelangen möge sowie, dass dieser Antrag zu Beginn der Sitzung vom 15.12.2022 verhandelt werde.

Keine abschließende Behandlung vor Beendigung der Gesetzgebungsperiode, daher erledigt (§ 31 Abs. 2 LGO 2001).

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