Lockdown – Wie steht es um die psychische Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen?
ANFRAGE
der Abgeordneten Mag.ª Edith Kollermann an Landesrätin für Soziale Verwaltung, Gesundheit und Gleichstellung Ulrike Königsberger-Ludwig
bezüglich: Lockdown, Distance-Learning, fehlende Sozialkontakte – Wie steht es um die psychische Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen?
Wir alle sind in der einen oder anderen Weise von den Einschränkungen betroffen, um die Ausbreitung des Coronavirus weiter zu reduzieren. Manche Gruppen in unserer Gesellschaft können besser mit diesen Einschränkungen umgehen als andere. Gerade Kinder und Jugendliche in Niederösterreich sind stark von den aktuellen politischen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie betroffen, denn sie sind in vielen Fällen (noch) nicht so gut in der Lage, mit Krisen- und Ausnahmesituationen umzugehen und diese entsprechend zu verarbeiten.
Laut einer aktuellen Studie der Donau-Universität Krems leiden aktuell 26 % der Menschen in Österreich an depressiven Verstimmungen, 23 % an Angstsymptomen und 18 % an Schlafstörungen. Besonders besorgniserregend sind laut Studienautor_innen die Ergebnisse bei jungen Menschen zwischen 18 und 24 Jahren. Hier kam es zu einem sprunghaften Anstieg von rund 30 Prozent auf 50 Prozent (https://www.donau- uni.ac.at/de/aktuelles/news/2021/psychische-gesundheit-verschlechtert-sich-weiter0.html). Expert_innen schlugen kürzlich auch medial Alarm: Essstörungen und psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen häufen sich seit dem Beginn der Corona-Krise (https://www.kleinezeitung.at/lebensart/gesundheit/5928755/CoronaFolgen-fuer-die- Psyche_Extremer-Anstieg-von-Essstoerungen). Auf der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Station im Wiener AKH müssen Kinder und Jugendliche schon jetzt bis zu drei Monate lang warten, um behandelt werden zu können. Aufgenommen werden nur besonders akute Fälle – vielfach also nur Jugendliche, die bereits suizidgefährdet sind.
Es braucht nun einen klaren Plan, um diese psychosoziale Krise gerade von unseren Kindern und Jugendlichen abzuwenden. Das Land Niederösterreich muss dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche bestmöglich in diesen schwierigen Zeiten unterstützt werden. Kinder und Jugendliche brauchen eine Perspektive – in Zeiten der Krise mehr denn je. Die Sicherstellung des psychosozialen Unterstützungsangebotes in Niederösterreich ist daher das Gebot der Stunde. Aber auch vorgelagerte und abfedernde Maßnahmen, wie die Möglichkeit eines geregelten Schulbesuches, Wege der Jugendarbeit (in all ihren Facetten der offenen Jugendarbeit, bis zu Ehrenamtlichen in den verschiedenen Vereinen) gehören zu diesen Unterstützungsleistungen dazu.
Landtag von Niederösterreich
Landtagsdirektion Eing.: 04.02.2021
Ltg.-1453/A-5/307-2021 -Ausschuss
Daher stellt die Gefertigte folgende Anfrage
ANFRAGE
- Welche Schritte haben Sie gesetzt, um die psychische und körperliche Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen in Niederösterreich im Lockdown im Blick zu behalten?
- Welche zusätzlichen Angebote werden in Niederösterreich geschaffen, um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Zeiten der Krise zu stärken?
- Wie viele kassenfachärztliche Stellen und Krankenhausbetten stehen heute im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Niederösterreich zur Verfügung? An welchen Standorten? Wie viele wären laut Strukturplan vorgesehen?
- Wie haben sich in diesem Bereich die Wartezeiten in den letzten 24 Monaten entwickelt? (Bitte um Auflistung der durchschnittlichen Wartezeit pro Monat)
- Wie viele niedergelassene Kinder- und Jugendpsychiater_innen mit Kassenvertrag gibt es in Niederösterreich? Wie viele wären laut Strukturplan vorgesehen?
- Wie viele private/wahlärztliche Kinder- und Jugendpsychiater_innen gibt es in Niederösterreich?
- Welche Schritte setzen Sie, um einen Ausbau der niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiater_innen mit Kassenvertrag voranzutreiben?
- Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Kinder und Jugendlichen von Familien, die sich keine Behandlung bei Wahlärzt_innen leisten können, niederschwellig versorgt werden?
- Wie viele Schulpsycholog_innen sind an niederösterreichischen Pflichtschulen tätig?
- An welchen niederösterreichischen Pflichtschulen stehen Schulpsychologen zur Verfügung?
- Gibt es auch im Lockdown ein schulpsychologisches Angebot vor Ort?
- Planen Sie das schulpsychologische Angebot in Niederösterreich auszubauen?
- Wie hat sich die Situation in der Kinder- und Jugendhilfe in den letzten Monaten entwickelt? Sind vermehrt Abklärungen (z.B. im Bereich der Gefährdungsabklärung) festzustellen?
- Kann im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe die übliche Betreuungs- und Beratungsstruktur aufrechterhalten werden?
a. Wenn nein, inwiefern nicht?
b. Wenn nein, wie wird dem entgegengewirkt?
Beantwortung
Ulrike KÖNIGSBERGER-LUDWIG
LANDESRÄTIN FÜR SOZIALE VERWALTUNG, GESUNDHEIT UND GLEICHSTELLUNG
Herrn
Landtagspräsidenten
Mag. Karl Wilfing
im Hause
St. Pölten, am 18. März 2021
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident!
Die im Rahmen der Landtagsanfrage der Abgeordneten Mag.
betreffend „Lockdown, Distance-Learning, fehlende Sozialkontakte – Wie steht es um die psychische Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen?“, eingebracht am 04. Februar 2021, Ltg.-1453/A-5/307-2021, an mich gerichteten Fragen beantworte ich soweit diese in meine Zuständigkeit fallen und vom Anfragerecht umfasst sind, wie folgt:
Da ein Teil der Fragen in den Zuständigkeitsbereich der Österreichischen Gesundheitskasse fällt, wurde von dieser eine Stellungnahme angefordert, auf welcher die Beantwortung der Fragen 1-8 beruht:
Im Rahmen der kassenfinanzierten Sachleistungsversorgung werden Leistungen
zur Behandlung psychischer Erkrankungen vorrangig durch Fachärzte für Kinder-
und Jugendpsychiatrie sowie durch Psychotherapeuten erbracht. Die
kassenfinanzierte Versorgung mit psychotherapeutischen Leistungen erfolgt über
Vertragsvereine. ln NÖ wurden mit zwei großen Vereinen Behandlungsverträge
abgeschlossen (VaP NÖ, NGPV). Des Weiteren gibt es spezielle
Psychotherapieangebote an folgenden Stellen:
- möwe Kinderschutzzentren GmbH und Kidsnest GmbH (für Kinder und Jugendliche
- im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch sowie psychischer oder physischer Misshandlung)
- Caritas der Diözese St. Pölten (für Kinder und Jugendliche sowie für Männer)
- die Caritas der Erzdiözese Wien (für Kinder und Jugendliche)
- das Hilfswerk Niederösterreich (für Kinder und Jugendliche)
- Frauen für Frauen (für frauenspezifische Psychotherapie für Frauen und Mädchen)
- sowhat (Psychotherapie für Menschen mit Essstörungen)
- DIAKONIE Flüchtlingsdienst GmbH (fürAsylwerber und Flüchtlinge)
Bei der psychotherapeutischen Versorgung von Kindern- und Jugendlichen bestehen keine vertraglichen Kontingente. Alle von Vertragsvereinen angebotenen Therapieeinheiten für Kinder und Jugendliche werden in NÖ bei Vorliegen einer entsprechenden chefärztlichen Bewilligung von der ÖGK zur Zahlung übernommen. Eine durch die Pandemie gestiegene Nachfrage nach Therapieplätzen für Kinder und Jugendliche in NÖ wird somit ohnehin abgedeckt. Mit Beginn der Corona-Pandemie wurden von der ÖGK auch im Bereich der Psychotherapie Lösungen herbeigeführt, um die Behandlungen bzw. Weiterführung der Behandlungen unter den gegebenen Rahmenbedingungen rasch zu ermöglichen, z.B. telemedizinische/telefonische Behandlungen und administrative Erleichterungen in der Abwicklung des Antragsprozesses.
Der Stellenplan sieht für das Fachgebiet Kinder- und Jugendpsychiatrie 9 Planstellen vor: Amstetten, Baden, Korneuburg, Krems an der Donau, Mistelbach, Mödling, St. Pölten, Purkersdorf, Wr. Neustadt.
Laut Verzeichnis der Ärztekammer NÖ gibt es sechs niedergelassene Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie ohne Kassenverträge.
Zu den durchschnittlichen Wartezeiten kann keine Auskunft gegeben werden. Der ÖGK liegen jedoch keine Beschwerden über lange Wartezeiten vor.
Das Fachgebiet Kinder- und Jugendpsychiatrie wurde mit Beginn des Jahres 2012 in den Gesamtvertrag aufgenommen. Im ersten Ausbauschritt wurden anfangs fünf Planstellen vorgesehen, wobei die fünf Versorgungsregionen in NÖ abgedeckt werden sollten. Aufgrund eines wachsenden Bedarfs wurden die Planstellen kontinuierlich auf mittlerweile neun ausgebaut.
Auf Basis der uns vorliegenden Informationen zur Anzahl der Wahlärzte gibt es mehr Kassenärzte als Wahlärzte im Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Kassenärzte sind flächendeckend gut verteilt, wobei gerade in ländlichen Regionen immer Optimierungspotenzial besteht (z.B. oberes Waldviertel). Die Wahlärzte schließen regional keine Versorgungslücken (z.B. keine Wahlärzte im oberen Waldviertel).
Fragen 13-14:
Ja, es konnten und können alle Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe auch während der Corona-Pandemie aufrechterhalten werden.
Bei den stationären Angeboten wurden entsprechende Präventionskonzepte für die Einrichtungen erarbeitet, um die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen auch im stationären Kontext bestmöglich schützen zu können.
Den Kindern und Jugendlichen konnte damit auch während der Krise eine stabile Betreuung und Leistungen in der gewohnt hohen Qualität geboten werden.
Im ambulanten Bereich (inklusive UdE) bzw. bei den sozialen Diensten konnten einige Leistungen um Online-Angebote ergänzt werden, sodass zB. auch während des Lockdowns Beratungsangebote von Jugendberatungsstellen oder Schulsozialarbeit den Kindern und Jugendlichen in NÖ zur Verfügung standen.
Mit freundlichen Grüßen
Königsberger-Ludwig e.h.