Krankenhaus und Krankenhauskeime in NÖ

7. Mai 2018

Anfrage

der Abgeordneten Mag.a Edith KOLLERMANN an Landeshauptfrau- Stellvertreter Dr. Stephan PERNKOPF gemäß § 39Abs. 2 LGO 2001

betreffend

Krankenhaus-Behandlungsqualität (A-IQI) und Krankenhauskeime (nosokomiale Infektionen) in Niederösterreich

In Niederösterreich wird seit 2010 Werbung mit der Krankenhausqualitätsarbeit (A-IQI) gemacht, dennoch kommt es immer wieder zu Meldungen über Qualitätsmängel, die aufhorchen lassen. Grundsätzlich ist merkwürdig, dass seit 2010 kein einziger standortbezogener Qualitätsindikator (A-IQI) veröffentlicht wurde, wie es beispielsweise in der Schweiz der Fall ist (CH-IQI). Man könnte daraus schließen, dass es zwischen den NÖ KH-Standorten erhebliche Qualitätsunterschiede gibt. Diesbezüglich gehen Experten und das Bundesgesundheitsministerium davon aus, dass mit steigender Fallzahl auch die Behandlungsqualität steigt. Dieses Argument wurde auch vom ehemaligen ÖVP- Landesrat Mag. Wilfing im Zuge der Schließung der Geburtenstation im LKH Waidhofen/Thaya angeführt: „Diese Entscheidung war bei allem Verständnis für die Sorgen der Menschen aus Gründen der Qualitätssicherung notwendig.“ Vorgeschichte: In LKH Waidhofen/Thaya wurden 2014 296 Kinder geboren. Laut internationalen Studien sind 500 Geburten pro Jahr notwendig, um entsprechende Qualität zu gewährleisten. (Bezirksblätter 30.10.2015)

https://www.meinbezirk.at/horn/politik/stellungnahme-zur-thematik-schliessung- geburtenstation-im-kh-waidhofen-ad-thaya-d1530188.html

Da die Fallzahlen eine wesentliche Rolle für die Behandlungsqualität spielen, ist brisant, dass www.klinksuche.at zeigt, dass die Fallzahlen für die einzelnen Indikationen zwischen den Krankenhäusern häufig enorm sind (siehe Beispiele in Tabelle unten).

Krankenhausbehandlungsqualität (A-IQI)

Aktuelle Fälle haben beispielsweise Qualitätsprobleme bei Gallenblasen- und Hüftgelenks-Operationen aufgezeigt (siehe NÖN 19.12.2017 und Kurier 24.4.2018).

Ein Blick auf www.kliniksuche.at zeichnet für diese Indikationen in NÖ Krankenhäusern folgendes Bild (siehe Tabelle). Anhand der Abfrage sieht man, dass an 6 von 16 Standorten mit Hüftgelenksoperationen nicht mal 100 Operationen pro Jahr durchgeführt werden. Bei den Gallenblasenoperationen sind es immerhin „nur“ 4 von 21. Darunter übrigens auch das Krankenhaus Melk, welches im Dezember bei Gallenblasenoperationen in die Negativschlagzeilen geraten ist (siehe NÖN, 19.12.2017). Erschreckend ist, dass es Krankenhäuser gibt, bei denen sogar nur 15 (Hüfte) bzw. 37 (Gallenblase) entsprechende Fälle pro Jahr operiert werden.

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Genauere Zahlen findet man derzeit leider nicht, da die entsprechenden Qualitäts-Indikatoren nach wie vor nicht auf Krankenhausebene veröffentlicht werden (siehe A-IQI-Bericht). Die NÖ Landeskliniken könnten die selbst berechneten Indikatoren veröffentlichen, tun es aber leider nicht – entgegen den Patienteninteressen und der Patientengesundheit.

Krankenhauskeime

Hinzu kommt, dass viele Qualitätsmängel auch dadurch entstehen, dass in manchen Krankenhäusern Hygienevorschriften nicht entsprechend eingehalten werden. Die dadurch entstehenden Infektionen führen dazu, dass in Österreich jährlich 2400 stationäre Patienten daran sterben (Kurier, 24.4.2018). Aber auch bei überlebenden Patienten kann es zu weitreichenden Folgebeeinträchtigungen kommen. So musste bei einem niederösterreichischen Patienten aufgrund einer Infektion im Krankenhaus das Hüftgelenksimplantat erneuert werden. Der Patient ist nun auf Gehbehelfe angewiesen und arbeitsunfähig.

Presseberichte

Kurier: „Spitalskeime: Fünfmal so viele Tote wie im Straßenverkehr“ (24.4.2018)

„Nach seiner Spitalsoperation begann die „Hölle auf Erden“, wie Paul Klug (Name geändert) skizziert. Schon der Operateur gab zu, dass die Verhältnisse beim Implantieren des neuen Hüftgelenks schwierig gewesen seien. Was folgte, waren eine starke, anhaltende Schwellung und unerträgliche Schmerzen. Rund zwei Wochen nach dem Eingriff war die Wunde noch immer offen und ein Sekret trat aus. Weil sich die Beschwerden auch Monate später nicht lindern ließen, musste das Implantat erneuert werden.

Die Ursache: Laut Krankenakte ist eine nosokomiale Infektion – also Erkrankung durch Spitalskeime – dafür verantwortlich. Seither leidet der 48-Jährige aus Niederösterreich an den Folgen, er ist auf Gehbehelfe angewiesen und arbeitsunfähig.“

https://kurier.at/chronik/oesterreich/todeskeime-im-spital-schluss-mit-den-hygiene- maengeln/400025671

NÖN: Chirurgie: Patienten orten Missstände im Spital (19.12.2017)

„Schwere Anschuldigungen gegen das Melker Landesklinikum erhebt ein Ehemann, dessen Frau (alle Namen der Redaktion bekannt) bei einer Gallenblasen-OP in der Melker Chirurgie ein Leck in den abführenden Gallengang geschnitten wurde.

Die behandelnden Ärzte erkannten den Fehler nicht und die Patientin musste in die Intensivstation ins LKH Amstetten überstellt werden, wo sie beinahe verstorben wäre. Noch heute, mehr als ein halbes Jahr nach der Operation, leidet die Frau an den Folgen. „Da es kein Einzelfall ist, habe ich den Schritt an die Öffentlichkeit gewagt“, erzählt der Angehörige.

Mehrere Fälle bekannt

Und in der Tat liegen der NÖN weitere Fälle vor, die ebenso unglücklich verlaufen sind. So führte eine missglückte Gallenblasenentzündung etwa zur Frühpension des Betroffenen, ein weiterer Patient soll nach einer verpatzten OP nach Linz überstellt worden sein, wo sein Leben gerettet werden konnte.

Weniger Glück hatte eine andere Patientin, die nach einer Gallenblasen-OP verstorben ist – ob tatsächlich die OP der Auslöser war, ist aber unklar.“

http://www.noen.at/melk/melk-chirurgie-patienten-orten-missstaende-im- spital/71.431.293

Die Gefertigte stellt daher an Landeshauptfrau-Stellvertreter Dr. Stephan Pernkopf folgende

Anfrage:

1)  Wie viele Fälle von Infektionen durch Krankenhauskeime gab es in niederösterreichischen Krankenhäusern zwischen 2012 und 2017? (Nach Krankenhausstandort und Jahr)

2)  Wie viele Todesfälle – nach Krankenhausstandort und Jahr – gab es in NÖ Krankenhäusern zwischen 2012 und 2017 aufgrund von Infektionen durch Krankenhauskeime.

3)  Wann wurden welche Maßnahmen gesetzt, um die Infektion durch Krankenhauskeime zu vermeiden?

4)  Wer kontrolliert, ob die Maßnahmen in den Krankenhäusern entsprechend umgesetzt und eingehalten werden?

5)  Der Kurier (24.4.2018) beschreibt einen Fall in Niederösterreich, bei dem eine Krankenhauskeiminfektion zu einer Hüft-Endoprothesen-Revision geführt hat, wobei der Patient mittlerweile auf Gehbehelfe angewiesen und arbeitsunfähig ist.

a. In welchem Landesklinikum ereignete sich der Fall?

b. Ist das LKH in den internen A-IQI-Qualitätsrankings bei
Hüftgelenksoperationen bereits auffällig geworden?

c. Wie viele Hüftgelenksoperationen wurden zwischen 2012-2017
durchgeführt? (pro Jahr)

d. Wie viele Hüft-Endoprothesen-Revisionen hat es zwischen 2012-2017 gegeben? (A-IQI-Indikator 35.21)

e. Sind Ihnen weitere ähnliche Fälle mit anschließender dauerhafter Arbeitsunfähigkeit bekannt?

6)  Wie viele Hüft-Endoprothesen-Revisionen gab es zwischen 2012 und 2017 in NÖ Krankenhäusern aufgrund von Krankenhauskeiminfektionen? (Nach Krankenhausstandort und Jahr)

7)  Wie viele Hüft-Endoprothesen-Revisionen gab es zwischen 2012 und 2017 in NÖ Krankenhäusern insgesamt? (pro Jahr und Krankenhaus)

8)  Wie viele Hüft-Endoprothesen gab es zwischen 2012 und 2017 in NÖ Krankenhäusern insgesamt? (pro Jahr und Krankenhaus)

9)  A-IQI-Indikator 35.21. Wie hoch war der Anteil der Hüft-Endoprothesen- Revisionen an den Hüft-Endoprothesen für NÖ Krankenhäuser zwischen 2012 und 2017? (pro Jahr und Krankenhaus)

10)  Der Landeskliniken-Regionalmanager aus dem Mostviertel kündigte in den NÖN an (19.12.2017), die Gallenblasen-Qualitätsbeschwerde im LKH Melk zu analysieren. Was ist dabei herausgekommen?

11) www.klinksuche.at schreibt zu den Gallenblasenoperationen im KH Melk, dass die Operationshäufigkeit „unter der bundesweiten Bandbreite“ liegt (Stand: 24.4.2018). Wurde die Patientin vor ihrer Gallenblasen-Operation darüber informiert, dass im LKH Melk nur unterdurchschnittlich viele Gallenblasen- Operationen durchgeführt werden?

12)  Wenn nein, weshalb nicht?

13)  Wurden weitere Qualitätsbeschwerden bezüglich Gallenblase im LKH Melk

analysiert?

a. Wenn nein, weshalb nicht?

b. Wenn ja, in welchem Zeitraum und wie viele Fälle?

c. Wenn ja, welche Maßnahmen wurden getroffen?

14) www.kliniksuche.at zeigt, dass an 4 von 21 NÖ KH-Standorten mit Gallenblasenoperationen weniger als 100 OPs durchgeführt wurden.

a. Sieht man es bei der NÖ Landeskliniken-Holding kritisch, wenn an einzelnen Standorten nur eine geringe Anzahl an OPs durchgeführt wird?

b. Werden die Patienten darüber vorab informiert, wenn am Behandlungs- standort deutlich weniger Operationen durchgeführt werden als an anderen Standorten? (wie z.B. im Fall Gallenblasen-Operationen im KH- Melk)

15)  Ab wann werden die A-IQI-Qualitätsindikatoren auf Krankenhausebene für jedermann einsehbar veröffentlicht, wie es bereits in der Schweiz seit Längerem der Fall ist?

16)  Haben Sie Informationen, weshalb im A-IQI-Bericht der Bundeszielsteuerungskommission (Länder, SV, Bund) die Indikatoren nicht auf Standortebene veröffentlicht werden?

17)  Werden in niederösterreichischen Krankenhäusern Patienten vor Operationen verpflichtend vom ärztlichen Personal darüber informiert, wenn bei der entsprechenden Indikation nur unterdurchschnittlich viele Fälle operiert werden oder das Krankenhaus bereits im A-IQI auffällig geworden ist?

18)  Wenn nein, weshalb nicht?

 

Beantwortung:

Dr. Stephan Pernkopf
LH-Stellvertreter

 

Herrn Präsident
des NÖ Landtages
Mag. Karl Wilfing

im Hause
LHSTV-P-L-397/097-2018

St. Pölten, am 18. Juni 2018

Sehr geehrter Herr Präsident!

Zur Anfrage der Abgeordneten Mag. Kollermann betreffend Krankenhaus-Behandlungsqualität (A-IQI) und Krankenhauskeime (nosokomiale Infektionen) in Niederösterreich , zu Zahl Ltg.-106/A-4/8-2018, darf ich folgende Beantwortung, soferne mein Zuständigkeitsbereich betroffen ist und dies dem Anfragerecht unterliegt, übermitteln:

Zu Frage 1 und 2:
Eine flächendeckende Erfassung von nosokomialen Infektionen ist in weder in NÖ noch in
Österreich für Krankenanstalten etabliert.

Zu Frage 3:

  •  Ab 2006 wurde mit der Implementierung von ANISS HELICS (Austrian NosokomialInfection Surveillance System) begonnen.
  •  Seit 2009 Einrichtung eines Fachbeirates für Hygiene im Auftrag der Geschäfts-führung der NÖ Landeskliniken-Holding.
  •  Ab 2015 Etablierung eines einheitlichen Surveillance Systems für nosokomiale Infektionen des Robert Koch Institutes an allen NÖ Landes- und Universitätskliniken.
  •  Laufende Schulungsmaßnahmen im Bereich der Hygiene.Zu Frage 4:

Generell sind konkrete hygienische Maßnahmen an den NÖ Landes- und

Universitätskliniken durch die lokale Krankenhausleitung zu beauftragen und zu kontrollieren. Hierfür stehen den Krankenhausleitungen Hygieneteams zur Verfügung.

Zusätzlich werden die hygienerelevanten Agenden durch die Bezirksverwaltungs- behörden in Form von Krankenhauseinschauen geprüft. Diesbezüglich fanden in den Jahren 2012 bis 2017 43 Einschauen an den NÖ Landes- und Universitätskliniken statt.

Zu Frage 5a,b,c,d:
Aufgrund der Angaben im Kurier-Artikel vom 24.04.2018 konnte der zugrunde-liegende Fall
nicht identifiziert werden. Der Patientenname wurde (vermutlich aus rechtlichen Gründen) im Artikel geändert, das betroffene Klinikum wurde nicht angeführt.

Auch nach Rücksprache mit der NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft konnte nicht festgestellt werden, dass es sich um einen Fall aus einem NÖ Klinikum handelt.

Zu Frage 5e:
Daten betreffend dauerhafter Arbeitsunfähigkeit liegen der NÖ Landeskliniken-Holding nicht vor.

Zu Frage 6:
Die LKF-Dokumentation sieht seit 2015 eine Dokumentation von Revisionsgründen vor.

Hier wird jedoch lediglich zwischen chronischen und frühen Infektionen unterschieden. Ob es sich dabei um nosokomiale Infekte handelt, ist nicht Inhalt dieser Dokumentation.

Zu Frage 7:
Anzahl Patienten mit Leistung „Reimplantation einer Hüftendoprothese mit Diagnose
Akutinfekt“
Datenbasis: Gesamtjahre 2015-2017

Anzahl Patienten mit Leistung „Reimplantation einer Hüftendoprothese mit allen Diagnosen (Infekt, Lockerung, Bruch)“
Datenbasis: Gesamtjahre 2012-2017

Anzumerken ist, dass der Klinikenstandort der Reimplantation nicht zwingend der Klinikenstandort der Erstoperation ist.

Zu Frage 8:
Anzahl Patienten mit Leistung „Implantation einer Hüftendoprothese je
Standort im Jahresverlauf“ Datenbasis: Gesamtjahre 2012-2017

Zu Frage 9:
Das BMASGK, als Inhaberin der A-IQI, gestattet keine Veröffentlichung der Ergebnisse
auf Bundesländer- /oder Standortebene.

Zu Frage 10:
Bezugnehmend auf die in der NÖN am 19.12.2017 berichtete Komplikation bei einer
Gallenoperation wurde eine Besprechung mit dem betroffenen Team und dem
Abteilungsleiter der Chirurgie abgehalten, wobei eine Analyse der Entstehung der Komplikation durchgeführt wurde und Maßnahmen zur Optimierung des Komplikationsmanagements definiert wurden. Die Patientin wurde prä-operativ über die Möglichkeit dieser Komplikation aufgeklärt.

Zu Frage 16:
Über die Beweggründe betreffend dieses Vorgehens liegen uns ebenso keine näheren
Informationen vor wie auch über die geplante Weiterentwicklung der A-IQI auf Bundesebene.

Zu Frage 17 und 18:

  • Das BMASGK, als Inhaberin der A-IQI, gestattet keine Veröffentlichung der Ergebnisse
    auf Bundesländer- /oder Standortebene. Da es sich bei den A-IQI Ergebnissen um keine öffentlichen Daten handelt ist eine Weitergabe der Information an Patienten vom BMASGK derzeit nicht vorgesehen.
  • Prinzipiell werden im Zuge der medizinischen Aufklärungsgespräche alle Fragen der Patientinnen und Patienten ausführlich beantwortet.

 

Mit freundlichen Grüßen
LH-Stv. Dr. Stephan Pernkopf eh.

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