Kilometerlanges Förderband über die Köpfe der Bürger:innen hinweg

15. November 2024

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Edith Kollermann an Dr. Stephan Pernkopf LH-Stellvertreter für Energie/Wissenschaft/Landwirtschaft gemäß § 39 Abs. 2 LGO 2001

betreffend: Kilometerlanges Förderband über die Köpfe der Bürger:innen hinweg

Am 24.04.2024 gab das Land NÖ bekannt, dass für das geplante Mega-Förderband über die Donau von Persenbeug nach Krummnußbaum im Bezirk Melk keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) notwendig ist. Mit dem Bescheid WST1-UF-223/001- 2024 entfällt die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bezüglich des Projekts „Bahnschotterverladung (BSV) Loja“. Damit hat das Unternehmen Loja die erste Hürde geschafft, um künftig Gestein direkt über die Donau transportieren zu dürfen. Konkret geht es um ein 1,2 Kilometer langes und ein Meter breites Förderband, das von 100 Meter hohen Stützen getragen werden soll. Der Kostenpunkt soll zwischen 12 und 14 Millionen Euro liegen. Ein immenses Projekt – weshalb der Spruch aus dem o.g. Bescheid durchaus verwundert. Denn hier scheint ein massiver Eingriff in die Natur und das Landschaftsbild gegeben zu sein, welcher eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig machen müsste. Es wäre zum Einen ein Natura2000-Gebiet davon betroffen, zum Anderen handelt es sich um ein Hochwasserschutzgebiet. Besonders in Krummnussbaum sind die Vorbehalte gegen das Förderband groß, weil von hier aus dann das Material auf die Schiene gebracht werden soll, was enorme Ladeverkehrstätigkeit nach sich ziehen dürfte. Dafür muss eine Halle errichtet werden und zusätzlich wird wohl auch der Lkw-Verkehr zunehmen. Ebenfalls am 24.04.2024 wurde die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens der Europäischen Union gegen die Republik Österreich öffentlich bekannt. Dabei geht es um die nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzte Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-Richtlinie). Man sollte meinen, dass Österreich mit Blick auf die Entkräftung dieser Vorwürfe oder Vorbehalte besonders sorgsam mit der Notwendigkeit von UVP umgehen würde. Der Bescheid, dass gerade bei der Errichtung eines Förderbands über die Donau keine UVP für notwendig befunden wurde, erscheint im Lichte der sonst in Niederösterreich so auf das Landschaftsbild der Heimat ausgerichteten Sichtweise besonders befremdlich.

Die Gefertigte stellt daher an Dr. Stephan Pernkopf folgende

Anfrage

1. Welche Kriterien führten dazu, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung als nicht notwendig eingestuft wurde?

2. Inwieweit kann davon ausgegangen werden, dass dieser Bescheid als Präzedenzfall für künftige Großprojekte herangezogen werden wird bzw. welche Vorkehrungen wurden insbesondere in Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gegen eine solche Möglichkeit getroffen?

3. In welcher Form ist von Ihrer Seite bzw. von der Seite der Landesregierung sichergestellt, dass die Bedenken der Bürger:innen ernstgenommen wurden?

4. Welche Gutachten wurden von Seiten des Landes Niederösterreich bzw. von Ihrer Seite getätigt, um die Lärmschutzbedenken der Bürger:innen zu zerstreuen?
a. Welche Ergebnisse brachten diese und flossen diese in den Bescheid ein?
b. Wo sind diese Gutachten öffentlich einsehbar?

5. Wurden vom Land Niederösterreich bzw. von Ihrer Seite auch alternative Möglichkeiten der Bahnschotterverladung geprüft?
a. Wenn ja, welche?
b. Wenn nein, wieso nicht?

6. Welchen Einfluss hatte die Einleitung des o.g. Vertragsverletzungsverfahrens auf die Entscheidung, bei einem Großprojekt wie dem vorliegenden keine UVP durchführen zu lassen?
a. Können Sie ausschließen, dass das Ergebnis des Vertragsverletzungsverfahrens rückwirkend einen Einfluss auf Bau und Betrieb des Förderbandes haben könnte?
b. Wenn ja, auf welchen Annahmen begründet sich diese Haltung?
c. Wenn nein, wer wird für einen etwaigen finanziellen Schaden aus der Vernachlässigung von Unionsrecht aufkommen?

Beantwortung

Dr. Stephan Pernkopf
LH-Stellvertreter

St. Pölten, am 27. Juni 2024

Herrn Präsidenten
des NÖ Landtages
Mag. Karl Wilfing

im Hause LHSTV-P-L-397/321-2024

Sehr geehrter Herr Präsident!

Zur Anfrage der Abgeordneten Mag. Edith Kollermann betreffend „Kilometerlanges Förderband über die Köpfe der Bürger:innen hinweg“, zu Zahl Ltg.-426/XX-2024, darf ich folgende Beantwortung, sofern mein Zuständigkeitsbereich betroffen ist und dies dem Anfragerecht unterliegt, übermitteln: Zunächst darf festgehalten werden, dass gegen den Bescheid der NÖ Landesregierung vom 22. April 2024, Zl. WST1-UF-223/001-2024, Beschwerden (29 Nachbarn, die Marktgemeinde Krummnußbaum sowie die Umweltorganisation Verkehrswende.at) erhoben und diese dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurden, weshalb derzeit keine Zuständigkeit der NÖ Landesregierung als UVP-Behörde gegeben ist.

Das UVP-G 2000 des Bundes sieht eine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung dann vor, wenn ein Tatbestand im Sinne des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 erfüllt wird. In einem solchen Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 ist somit lediglich zu klären, ob ein Tatbestand im Sinne des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 erfüllt wird oder nicht. Hierfür sind weder Gutachten notwendig, noch werden Alternativprüfungen angestellt – diese wären ohne Antrag ohnehin rechtswidrig. Für ein Feststellungsverfahren ist immer das UVP-G 2000 Prüfungsmaßstab, da das österreichische Recht keine gerichtlich bindenden Präzedenzfälle kennt.

Ein UVP-Verfahren stellt im Wesentlichen ein konzentriertes Verfahren dar, in Zuge dessen sämtliche materienrechtliche Bestimmungen beurteilt und geprüft werden. Auch bei einem negativen UVP-Feststellungsbescheid – und somit keiner UVP-Pflicht – werden diese materienrechtlichen Bestimmungen geprüft, allerdings als Einzelverfahren. Ein negativer UVPFeststellungsbescheid gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G, hat daher grundsätzlich keinen geringeren Prüfumfang zur Folge. Im konkreten Verfahren wurde das eingereichte Vorhaben hinsichtlich aller in Frage kommenden gesetzlich vorgesehenen Tatbestände des UVP-G 2000 geprüft. Da kein gesetzlich vorgesehener Tatbestand erfüllt wird, war die Feststellung zu treffen, dass keine UVP-Pflicht besteht.

Mit freundlichen Grüßen
LH-Stv. Dr. Stephan Pernkopf eh

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