Evaluierung des Verkehrskonzeptes in Matzen-Raggendorf

7. Mai 2020

Es ist tatsächlich erstaunlich, wie schnell es mancherorts gehen muss. Bürgerbeteiligung ist im Zusammenhang mit der Einstellung der Bahnlinie Schweinbarther Kreuz nicht groß geschrieben. Warum eigentlich hat man es hier so eilig bei so wenig erkennbarem Nutzen?

Anfrage

der Abgeordneten Mag.a. Kollermann, gemäß 39 Abs. 2 LGO 2001 an Landesrat für Finanzen und Mobilität DI Ludwig Schleritzko

betreffend: Evaluierung des Verkehrskonzeptes in Matzen-Raggendorf

Wir, die Bürgerinnen und Bürger, erleben durch die aktuelle Covid-19-Pandemie derzeit, was es bedeutet, wenn durch eine naturgewaltliche Bedrohung das Leben, wie wir es bisher gekannt haben, aus den Fugen gerät, Verhaltensweisen und Gewohnheiten angepasst werden müssen und wirtschaftliche Auswirkungen ungeahnten Ausmaßes unsere Volkswirtschaft schädigen. Wobei wir die zeitliche Dauer derzeit noch nicht benennen können. Die Auswirkungen der Klimakrise werden nicht so schlagartig über uns hereinbrechen wie diese Pandemie, aber sie werden umso größer sein, je später gegengesteuert wird. Die Landesregierung – und laut Regierungsprogramm auch die Bundesregierung – bekennt sich zur Nutzung und zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Dabei wird insbesondere die Bahn als besonders förderungswürdig eingestuft. Einerseits aus Umweltschutzgründen, weil diese in den meisten Fällen elektrisch betrieben wird und durch den Betrieb kein CO2 mehrausstößt, und andererseits, weil sie nicht „im Stau steht“.

Umso verwunderlicher ist die Vorgangsweise bei der Stilllegung des Bahnbetriebs am Schweinbarther Kreuz im Dezember 2019 mit der Hauptbegründung: zu geringe Fahrgastzahlen. Anstelle der Bahnstrecke wurde ein Busverkehr der Buslinien 530 und 535 eingerichtet. Die fehlende Einbindung der Bevölkerung wird in seinem ganzen Ausmaß sichtbar, wenn man sich die Aktivitäten von Bürgerinitiativen in dieser Region ansieht. Z.B. jener aus Raggendorf, deren Hinweise auf die Lärm- und Staubbelastung der 600 Einwohner- Gemeinde durch halbstündlich durchfahrende Großbusse, in denen sich außer dem Fahrer kein Mensch befindet, ungehört bleiben. Sehr wohl scheint es aber Druck zu geben, raschestmöglich mit dem Bau des Busbahnhofes in Raggendorf zu beginnen. Es stellt sich die Frage, ob die Geschwindigkeit, mit der hier neue Fakten geschaffen werden, mit dem Bedarf der Bevölkerung nach Mobilität tatsächlich in angemessener Weise in Zusammenhang steht.

Die Gefertigte stellt daher an Landesrat für Finanzen und Mobilität, DI Ludwig Schleritzko, folgende

ANFRAGE

1. Wurde die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Weiterführung der Bahnlinie Schweinbarther Kreuz auch unter dem Aspekt der Klimakrise und der volkswirtschaftlichen Opportunitätskosten betrachtet? (Da das Land NÖ hier jedenfalls Kosten für die Ersatzbuslinien trägt, ersuchen wir, die Frage nicht mit einem Verweis auf die ÖBB abzutun, siehe Punkt 3.b.).
a) Welche Kriterien gingen mit welcher Gewichtung in die Entscheidungsgrundlage ein?
b) Wo kann man diese einsehen?

2. Welche begleitenden Maßnahmen zur Einbindung der örtlichen Bevölkerung waren zur Entscheidungsfindung eines neuen Mobilitätskonzeptes ergriffen worden?

3.

4. Gab es Angebote seitens des Landes Niederösterreich an die ÖBB und/oder den VOR
hinsichtlich einer finanziellen Unterstützung zur weiteren Betreibung der Bahnlinie Schweinbarther Kreuz?
a) wenn ja, wo können diese eingesehen werden?
b) wenn nein, wieso nicht? (zumal das Land NÖ für die Ersatzbuslinien lt. DI Schleritzko 3,6 Mio. EUR p.a. zuschießt)

5. Sind der Landesregierung bzw. dem Landesrat für Finanzen und Mobilität, DI Ludwig Schleritzko, Alternativkonzepte für Ausbau bzw. Weiterführung der Bahnlinie Schweinbarther Kreuz, wie z.B. jene der Bürgerinitiative Matzen-Raggendorf unter Beiziehung eines Privatbahnbetreibers, bekannt?
a) Wenn ja, wie lautet Ihre Einschätzung der Finanzier- und Durchführbarkeit konkret?
b) Wenn nein, wieso nicht?

6. Welche Alternativrouten wurden geprüft, um die Verkehrsbelastung im Ortsgebiet gering zu halten?

7. Wurde im Zuge der Bewegungseinschränkungen durch die Covid-19-Maßnahmen die Taktung der Buslinien 530 und 535 einer Überprüfung unterzogen? (Zur Erläuterung: sowohl die ÖBB als auch z.B. die Wiener Linien haben zumindest während der ersten Wochen des „Shut downs“ auf Fahrpläne mit geringeren Taktungen umgestellt, wie den Medien zu entnehmen war)
a) Wenn ja, welches Ergebnis hat die Überprüfung ergeben?
b) Wenn nein, wieso nicht?

7. Welche Organisationen wurden mit der naturschutzrechtlichen Prüfung hinsichtlich des Aufkommens des Ziesels beim geplanten Busbahnhof Matzen-Raggendorf beauftragt?

8. Wird dieser Bericht veröffentlicht?
a) Wenn ja, bitte um Mitteilung wo bzw um Anhängen des Berichts.
b) Wenn nein, wieso nicht?

Mag.a. Kollermann

 

 

 

Beantwortung

Ludwig Schleritzko
Landesrat

Herrn
Präsident des NÖ Landtages
Mag. Karl Wilfing

St. Pölten, am 9. Juni 2020

B. Schleritzko-F-24/061-2020

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

Die im Rahmen der Anfrage der Abgeordneten Mag.a Kollermann betreffend „Evaluie- rung des Verkehrskonzeptes in Matzen-Raggendorf“, eingebracht am 30. April 2020, Ltg.-1076/A-5/225-2029, an mich gerichteten Fragen beantworte ich, soweit diese in meine Zuständigkeit fallen und vom Anfragerecht umfasst sind, wie folgt:

Die Bahnlinie Schweinbarther Kreuz wurde mit 15. Dezember 2019 durch die Öster- reichischen Bundesbahnen (ÖBB) eingestellt und verbleibt auch im Besitz der ÖBB. Das Land Niederösterreich und der VOR haben diese Entscheidung zur Kenntnis genommen und sowohl schnell als auch professionell darauf reagiert. Basierend auf dieser Entscheidung wurde ein Konzept erarbeitet, um der betroffenen Bevölkerung ein qualitativ hochwertiges öffentliches Verkehrsangebot bereitstellen zu können, welches mit September 2019 in die Umsetzung ging.

Die Kriterien für die Planung des Mobilitätskonzeptes waren vorrangig eine qualitativ hochwertige Bedienung der Gemeinden, so auch der Gemeinde Matzen-Raggendorf. Die Ortszentren werden durch die Busse zielgerichteter angebunden, direkte Verbin- dungen und damit optimierte Fahrzeiten für die Fahrgäste geschaffen und die fußläufige Erreichbarkeit von Haltestellen (im Umkreis von 300 Metern) im Gesamtgebiet wurde nahezu verdreifacht. Die Verkehrsdichte mit 75 Bussen am Tag (auf den Haupt- strecken) – bei rund 6.000 Fahrzeugen im motorisierten Individualverkehr – wird um lediglich 1,2 % erhöht. Dabei ist zu erwähnen, dass ein dichteres und leichter erreich- bares öffentliches Verkehrsangebot üblicherweise zu einer Reduktion des motorisierten Individualverkehrs führt und somit eine positive Wirkung auf die Verkehrsdichte und den CO2-Ausstoß zur Folge hat.

Durch den Einsatz von modernsten Bussen, welche der Euronorm 6 entsprechen, werden im Vergleich zur alten Bahngarnitur am Schweinbarther Kreuz rund 170 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart. In weiterer Folge sollen erstmals im VOR Elektrobusse die Dieselbusse ersetzen, wodurch weitere rund 660 Tonnen CO2 pro Jahr, eingespart werden können.

Das Land Niederösterreich hat auch nach Bekanntwerden des definierten Zielnetzes 2025+ der ÖBB einen Weiterbetrieb aller Regionalbahnlinien in Niederösterreich unter- stützt. Da der Bahnlinie Schweinbarther Kreuz durch die ÖBB ein zu geringes Potenzial für einen weiteren Bahnbetrieb attestiert wurde, musste die Einstellung der Strecke zur Kenntnis genommen werden. Um weiterhin ein öffentliches Verkehrsangebot in der Region zur Verfügung zu stellen, wurde ein Bussystem samt Begleitmaßnahmen zur Förderung umweltschonender Mobilität entwickelt, welches im Vorfeld im Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen am 9. und 12. April 2019, in der Region vorgestellt wurde.

Alternativkonzepte mit anderen Bahnbetreibern sind nur aus Medienberichten bekannt.

Zur Aufrechterhaltung der Zentralsysteme (Gesundheit, Polizei, Handel etc.) ist ein leistungsfähiges öffentliches Verkehrsangebot gerade während der Zeit der Covid-19- Krise notwendig. Es wurden daher lediglich dichte Bahntakte vorübergehend durch die ÖBB reduziert und Verstärkerbusse zu großen Schulstandorten nicht mehr gefahren, um der Bevölkerung weiterhin ein leistungsfähiges und verlässliches ÖV-System bieten zu können.

Im Vorfeld der Errichtung des zukünftigen Busbahnhof Raggendorf wurde die Behaup- tung von Zieselvorkommen eingehend durch mehrere Amtssachverständige überprüft. Es erfolgten Begehungen an insgesamt 4 Tagen. Dabei konnte auf der für den Bus- bahnhof vorgesehenen Fläche kein einziges Ziesel gesichtet werden.

Mit freundlichen Grüßen
LR Schleritzko eh.

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