Einsatz von RT-Lamp-Schnelltests an Schulen

16. Dezember 2020

ANFRAGE

 der Abgeordneten Mag. Edith Kollermann an Landesrätin für Bildung, Familien und Soziales
Mag. Christiane Teschl-Hofmeister

betreffend: Einsatz von RT-Lamp-Schnelltests an Schulen

Am 01.12.2020 wurde mit dem Beschluss „K4-GV-1123/030-2020 – COVID-19 Schnelltests für Schülerinnen und Schüler in NÖ“ die Firma „Artichoke Computing“, die zu Beginn der Pandemie unter der Marke „Covid-Fighters“ auf Corona-Testlogistik umgesattelt ist, mit dem Einsatz von RT- Lamp-Schnelltests an Schulen beauftragt. Schon am 11.11.2020 wurde der Einsatz von diesen Tests von Ihnen per OTS angekündigt

(vgl. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20201111_OTS0093/coronavirus-einsatz-von-rt- lamp-schnelltests-an-schulen) Die Vorteile dieser Tests sei ihre Schnelligkeit und ihre unkomplizierte Handhabung.

Allerdings können diese Tests keine PCR-Tests ersetzen. Zudem gab es im Zuge der Vergabe dieses Auftrags einige Auffälligkeiten. Laut den Recherchen des Standards beträgt das Auftragsvolumen für die Tests im Dezember, Jänner und Februar rund eine Million Euro. Das Unternehmen „Artichoke Computing“ ist eigentlich ein IT-Unternehmen, das – wie erwähnt – zu Beginn der Pandemie unter der Marke „Covid-Fighters“ auf Corona-Testlogistik umgesattelt hat. Aufträge kamen in großem Umfang unter anderem von der Parlamentsdirektion für Tests rund um den Ibiza-Untersuchungsausschuss. Der ÖVP-Landtagsabgeordnete Anton Erber ist mit 20 Prozent an der Firma beteiligt. Der Geschäftsführer namens Boris Fahrnberger war auch NÖAAB Bezirksparteiobmann.

Aufgrund der besonderen Umstände und der fehlenden Transparenz hinsichtlich der Dokumentation in der 98. Regierungssitzung am Dienstag, 1. Dezember 2020 stellt die Gefertigte folgende

ANFRAGE

  1. Zu welchem Zeitpunkt kamen Sie zur Entscheidung RT-Lamp-Schnelltests an Schulen anzubieten? (Bitte um Angabe des genauen Datums)a. Welche Institutionen waren zu welchem Zeitpunkt in diese Entscheidungen mit eingebunden? (Bitte um genaue Angabe, wann Sie welche Institution mit einbezogen haben)
  2.  Gab es eine Alternativenprüfung, wie z.B. den Einsatz von PCR Tests mit der Gurgelmethode, die Wien besonders bei Schulkindern favorisiert?
    a. wenn ja, welche konkreten Vorteile sprachen für den Einsatz von RT-Lamp- Schnelltests?
    b. wenn ja, durch wen wurde die Alternativenprüfung fachlich und sachlich durchgeführt?
    c. wenn nein, wieso nicht?
  3. Zu welchem Zeitpunkt begannen Sie mit der Vorbereitung, RT-Lamp-Schnelltests an Schulen anzubieten? (Bitte um Angabe des genauen Datums)
    a. Welche Institutionen waren zu welchem Zeitpunkt in Vorbereitungen mit eingebunden? (Bitte um genaue Angabe, wann Sie welche Institution mit einbezogen haben)
  4. Gab es eine Ausschreibung bezüglich des Einsatzes von RT-Lamp-Schnelltests an Schulen?
    a. Wenn ja, wo und in welchem Maße wurde diese kundgemacht?
    b. Wenn nein, wieso nicht?
    i. Wenn „äußerst dringliche & zwingende Gründe“ hier geltend gemacht wurden, welche konkret waren das?
    ii. Wenn „äußerst dringliche & zwingende Gründe“ hier geltend gemacht wurden, wieso verkündeten Sie am 11.11.2020 schon den Einsatz von RT- Lamp-Schnelltests?
  5. Wurden Unternehmen zur Angebotslegung eingeladen?
    a. Wenn ja, welche?
    b. Wenn ja, welche Frist gab man den Unternehmen, um auf das Angebot zu reagieren?
    c. Wenn ja, wurden auch Unternehmen außerhalb Niederösterreichs eingeladen?
    i. Wenn ja, welche?
    ii. Wenn nein, wieso nicht?
  6. Falls eine Angebotslegung hier verwendet wurde, welche Kriterien haben bei der Angebotsbewertung gegolten?
    a. Werden Sie diese Angebotsbewertung öffentlich zugänglich machen?
    i. Wenn ja, wo und zu welchem Datum?
    ii. Wenn nein, wieso nicht?
  7. Wird das Unternehmen Artichoke Computing GmbH auf der Liste der geeigneten Unternehmen der Bundesbeschaffung GmbH geführt?
  8. Welches Kosten-Volumen besitzt der Einsatz von RT-Lamp-Schnelltests pro Monat? (Bitte um Angabe pro Test sowie Anzahl der geplanten Tests pro Monat)
  9. Gibt es eine genaue Kostenaufstellung von Seiten des Landes Niederösterreich beziehungsweise von Ihnen hinsichtlich dieses Auftrags?
    a. Wenn ja, bitte um Weiterleitung?
    b. Wenn ja, wird diese veröffentlicht?
    c. Wenn nein, wieso nicht?

Beantwortung

Christiane Teschl-Hofmeister
Landesrätin

Herrn
Präsidenten des NÖ Landtages
Mag. Karl Wilfing

St. Pölten, am 18. Jänner 2021

Sehr geehrter Herr Präsident!

Zur Anfrage der Abgeordneten Mag. Kollermann betreffend „Einsatz von RT-Lamp- Schnelltests an Schulen“, eingebracht am 7.12.2020, Ltg. 1377/A-5/293-2020, darf ich Folgendes mitteilen:
Die Beantwortung einer Anfrage durch ein Regierungsmitglied ist durch die

NÖ Landesverfassung, die Geschäftsordnung des Landtages von NÖ sowie der Geschäftsordnung der NÖ Landesregierung vorgegeben. Diese Bestimmungen sind jedenfalls einzuhalten.

Mitte Oktober ist das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend der Pilotierung von RT-Lamp Tests in Schulen an das Land Niederösterreich herangetreten. In daraufhin geführten Gesprächen zwischen Ministerium, Land Niederösterreich und Bildungsdirektion wurde ein Pilotversuch mit einem fahrenden RT-Lamp-Labor von 9.11.2020 bis 4.12.2020 in den Bezirken Mödling und Wiener Neustadt vereinbart und organisiert.

Die Probengewinnung durch Gurgeln ist für Schülerinnen und Schüler in der Regel wesentlich angenehmer als ein Nasen-Rachen-Abstrich und nimmt damit bestehende Ängste vor der Probenabnahme bereits im Vorfeld. Bei der Gurgelmethode handelt es sich bei der Probengewinnung um eine medizinisch gleichwertige Alternative zum Nasen-Rachen-Abstrich. Mit dem LAMP-Verfahren des Vienna BioCenter steht eine Technologie zum einfachen, schnellen Nukleinsäurenachweis mit einem optimierten Testprotokoll für die SARS-CoV-2-Diagnostik zur Verfügung.

Die Vorteile dieses Tests stellen sich nach Angaben der AGES wie folgt dar:

Dieser kostengünstige und einfach zu handhabende Schnelltest basiert auf einer seit Jahren bewährten Methode zum Nachweis von Viren und anderen Pathogenen namens RT-LAMP (“Loop-mediated isothermal amplification”). Bei der RT-LAMP Methode des Vienna BioCenter reicht ein Inkubator oder ein einfaches Wasserbad mit einer konstanten Temperatur von 63 Grad Celsius. Ein positives Ergebnis ist dann schon nach dreißig Minuten über einen Farbumschlag in der Probe erkennbar. Dieses einfache und schnelle Verfahren erlaubt es gerade für Bereiche mit beschränkter Labor-Infrastruktur, rasch und (im Vergleich zu PCR-Tests) kostengünstiger Testkapazitäten zu erhöhen.

Ein weiterer Vorteil der Methode ist, dass alle benötigten Reagenzien einfach bezogen werden können und keinem Patent unterliegen. Dabei handelt es sich um eine medizinisch gleichwertige Alternative zum PCR-Test (gemäß einer Untersuchung der „Vienna COVID-19 Diagnostics Initiative“ (VCDI) – einem Zusammenschluss von 21 Wiener Forschungsinstituten unter Leitung von Alwin Köhler von den Max Perutz Labs der Uni Wien). Nach aktueller Einschätzung der Notruf Niederösterreich GmbH ist die in diesem Punkt dargestellte Vorgehensweise geeignet, Verdachtsfälle rasch und sicher laborchemisch zu identifizieren.

Die im Pilotversuch bestätigten Vorteile führten zur Entscheidung, das Verfahren landesweit auszurollen.

Es gab bezüglich des Einsatzes von RT-Lamp Schnelltests an Schulen keine Ausschreibung, sondern ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung zum Abschluss eines Rahmenvertrages mit einem Unternehmer. Gemäß § 37 Abs 1 Z 4 BVergG kann ein Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung bei Dienstleistungsaufträgen durchgeführt werden, wenn äußerst dringende, zwingende Gründe, die nicht dem Verhalten des Auftraggebers zuzuschreiben sind, bestehen. Gemäß ständiger Rechtsprechung liegen äußerst dringliche, zwingende Gründe insbesondere bei Schadensbeseitigung in der Folge von Katastrophenfällen und zur Abwehr weiterer oder größerer Schäden vor. Auch bei einer Beeinträchtigung von Leib und Leben ist von zwingender Dringlichkeit auszugehen. Im vorliegenden Fall ist die Errichtung der Teststraßen und die entsprechende Ausweitung der Testkapazitäten im Schulbereich dringend geboten, um infizierte Schüler rechtzeitig zu identifizieren, infizierte Personen und deren Kontaktpersonen zu isolieren und somit eine weitere Ausbreitung des Virus zu vermeiden.

Im vorliegenden Fall könnte ohne die zu beschaffenden Leistungen die Aufrechterhaltung des Regelschulbetriebes (aufgrund wahrscheinlich vorerst unentdeckter Ausbreitung des Virus in den Klassen bzw Schulen) nicht gewährleistet werden. Dies hätte zur Folge, dass der Bildungsauftrag nicht in ausreichendem Maße nachgekommen werden könnte und die Ausbreitungskurve in weiterer Folge wieder ansteigen würde. Dadurch ist die Gesundheit und in weiterer Folge auch das Leben sämtlicher Personen im Schulbereich sowie auch der Eltern und engen Kontaktpersonen der Schuler gefährdet. Es ist daher dringend geboten, das Verdachtsfallmanagement möglichst flächendeckend auf den Schulbereich auszurollen. Es liegen somit jedenfalls äußerst dringliche, zwingende Gründe vor. Weiters müssen die Ereignisse, welche die zwingende Dringlichkeit begründen, auf äußeren Umständen beruhen, dh auf Umständen, die außerhalb des Einwirkungsbereichs der Verwaltung des Mitgliedsstaats beruhen, weil keine Trennlinie zwischen dem Auftraggeber, der im konkreten Fall beauftragt, und anderen Behörden des Mitgliedstaates gezogen werden darf. Vorliegend sind die äußerst dringlichen, zwingenden Gründe von einer viral verursachten Pandemie ausgelöst. Diese ist klarerweise weder dem Auftraggeber noch der Republik Österreich zuzuschreiben. Als unvorhersehbares Ereignis sind Ereignisse zu qualifizieren, die den Rahmen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens sprengen, wie z.B. Fälle höherer Gewalt. Bei der derzeit vorherrschenden Covid-19 Krise handelt es sich um eine noch nie dagewesene Pandemie, die sämtliche Lebensbereiche der Bevölkerung erheblich einschränkt. Weder war für das Land Niederösterreich das Entstehen der Pandemie noch das Ausmaß der Einschränkungen in irgendeiner Weise vorhersehbar. Bis vor wenigen Wochen sind sämtliche führenden Experten von wesentlichen geringeren Neuerkrankungen sowie aktiv Erkrankten ausgegangen, ein erneuter Lockdown wurde von vielen sogar ausgeschlossen. Dass aufgrund der wesentlich höheren Anzahl an Erkrankten nun zusätzliche Beschaffungen notwendig sind, war für das Land Niederösterreich nicht vorhersehbar. So haben sich die erforderlichen Maßnahmen im Zuge der Wiedereröffnung des Regelschulbetriebes nach dem zweiten Lockdown erst durch diesen ergeben. Auch war nicht vorhersehbar, dass der einzusetzende RT- LAMP Test erst vor wenigen Monaten vom Vienna BioCenter entwickelt und auf den Markt gebracht wurde. Die davor verfügbaren Lamp-Tests waren qualitativ um einiges schlechter und damit weniger zuverlässig, weshalb diese für ein Vorhaben, wie das gegenständliche, nicht geeignet waren. Demgegenüber wären die vorgesehenen Testungen mittels herkömmlicher PCR-Test nicht realisierbar, da die Auswertung der PCR-Test signifikant länger dauert als jene der RT-Lamp-Tests.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der OGH beispielsweise die Infektionskrankheit SARS als „höhere Gewalt“ qualifiziert hat. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung ist die COVID-19-Pandemie als nicht vorhersehbares Ereignis „höherer Gewalt“ zu qualifizieren.

Da selbst die Mindestfrist für ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich im beschleunigten Verfahren wegen Dringlichkeit 15 Tage und die Stillhaltefrist zusätzlich 10 Tage beträgt, würde bei Einhaltung dieser Fristen eine Leistung zum vorgesehenen Start am 9.12.2020 verunmöglichen. Dass eine Verschiebung des Startes nicht möglich war, ergab sich aus dem Zeitpunkt der Wiedereröffnung der Schulen und aus dringenden medizinischen Gründen.
Die Einhaltung der Fristen nach dem BVergG ist daher vorliegend nicht möglich. Zusammengefasst liegen somit – rechtlich vertretbar – sämtliche Elemente des § 37 Abs 1 Z 4 BVergG vor, weshalb zulässigerweise das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung gewählt wurde. Am 11.11.2020 wurde lediglich gemeinsam mit BM Faßmann der Pilotversuch, nämlich der Einsatz eines RT-Lamp Busses, vorgestellt.
Gemäß § 122 Abs 3 BVergG ist die Anzahl der aufzufordernden Unternehmer im Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung entsprechend der Leistung festzulegen. Da es sich gegenständlich um ein Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung aufgrund äußerst dringlicher, zwingenden Gründe handelt, kann abweichend von den allgemeinen Bestimmungen selbst ein Verfahren mit lediglich einem Unternehmer durchgeführt werden. Unter Bemühung um größtmögliche Transparenz und Aufrechterhaltung des freien und lauteren Wettbewerbs, wurden drei Unternehmen, die aufgrund der Ergebnisse der Markterkundung zur Erbringung der ausschreibungsgegenständlichen Leistungen imstande sind, zur Angebotslegung eingeladen.
Konkret handelt es sich um folgende drei Unternehmen:
• CURA GmbH, 4020 Linz,
• Artichoke Computing GmbH, 3345 Göstling an der Ybbs,
• medlog Medizinische Logistik und Service GmbH, 3104 St.Pölten,
Weiters hat die Markterkundung ergeben, dass sämtliche eingeladenen Unternehmen bereits in der Vergangenheit vergleichbare Leistungen erbracht haben und daher auch technisch leistungsfähig sind. Die Eignung sämtlicher zum Verfahren eingeladener Unternehmen war gegeben.

Darüber, ob das Unternehmen Artichoke Computing GmbH auf der Liste der geeigneten Unternehmen der BundesbeschaffungsgmbH geführt wird, haben wir keine Informationen. Im Monat betragen die Fixkosten € 202.320,–, die Kosten für einen RT- Lamp Test betragen € 28,20. Auf Grund einer sorgfältigen Schätzung werden pro Monat rund 5000 Proben mittels RT-Lamp Tests zu untersuchen sein. Aufgrund der derzeit ungewissen Situation, sowie der ungewissen Entwicklung der Pandemie kann sowohl die Anzahl an zu untersuchenden Proben schwanken, als auch die Anzahl der Testräumlichkeiten erhöht werden müssen. Es gibt keine Kostenaufstellung und eine Veröffentlichung der Kosten erfolgt über den Rechnungsabschluss.

Mit freundlichen Grüßen

Landesrätin

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