EU-Kommissions-Programm
Aufnahme Kinder

17. Dezember 2020

D R I N G L I C H K E I T S A N T R A G

der Abgeordneten Pfister, Mag. Collini, MSc, Schindele, Mag. Hofer-Gruber, Hundsmüller, Mag. Kollermann, Razborcan, Mag. Renner, Rosenmaier, Mag. Samwald, Mag. Scheele, Schmidt, Mag. Suchan-Mayr, Weninger, Wiesinger und Windholz

gemäß § 33 LGO 2001 betreffend Beteiligung des Landes Niederösterreich am EU-KommissionsProgramm zur Aufnahme von 100 schutzbedürftigen Kindern aus Lagern auf den griechischen Inseln, insbesondere Lesbos

1. Zur Dringlichkeit:

Kein warmes Wasser, keine Heizung, kaum Strom – die Bewohner des Flüchtlingslagers Kara Tepe mit derzeit knapp 10.000 BewohnerInnen auf der griechischen Insel Lesbos haben Angst vor dem Winter. Im gesamten Lager gibt es keinen Strom und nur eine Handvoll Straßenlampen. In den 1000 Zelten, in denen die Flüchtlinge wohnen, ist es ab 17.30 Uhr stockfinster und wenn es regnet, fließt Wasser ins Zelt. Bereits der erste Regen hat das Flüchtlingslager Kara Tepe bekanntlich überflutet und 80 der rund 1100 Zelt zerstört. Das sogenannte Lager „Moria 2“ soll das abgebrannte Camp Moria ersetzen. Geflüchtete, die auf ihr Asylverfahren warten, sitzen jetzt im Matsch und Kinder müssen barfuß oder mit Plastikschlapfen durch das Wasser tapsen. Auch unter den Plastikplanen des Zeltbodens steht das Regenwasser und bläht die Abdeckungen auf.

Es gibt praktisch keine Duschen, die Geflüchteten müssen sich mit eiskaltem Wasser aus dem Meer waschen. „Das Lager macht krank“, sagt etwa Greg Kavarnós von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. Letztlich wird den Kindern im Lager die Zukunft gestohlen. Auch gibt es nur einmal am Tag ein Essenspaket, aber das reicht natürlich nicht. Das sind jedenfalls keine menschenwürdigen Lebensbedingungen. Wir bekräftigen unsere Forderung danach, diese Menschen in sichere und menschenwürdige Unterkünfte zu bringen. Auch andere europäische Staaten müssen die Schutzsuchenden aufnehmen, um die Situation auf den griechischen Inseln endlich zu entlasten. Fazit eines Geflüchteten nach zwei Monaten im neuen Lager Kara Tepe („Moria 2“): Moria war die Hölle, aber Kara Tepe ist schlimmer als die Hölle. In anderen griechischen Lagern sieht die Situation jedoch nicht viel besser aus. Es ist daher ein dringendes Gebot der Stunde, diese unhaltbaren Zustände für die dort befindlichen Kinder, welche im Übrigen bereits im Schlaf von Ratten (!) gebissen werden (nach Angaben der Ärzte stellt dies mittlerweile die häufigste Verletzung im Lager Kara Tepe dar), zu beenden und die Menschen aus dieser Hölle zu befreien.

Zumindest ein Teil davon soll auch in Österreich eine lebenswerte Zukunft finden. Gerade vor Weihnachten – wo sogar Gebetsveranstaltungen im Parlament stattfinden – muss Menschlichkeit und Nächstenliebe auch gelebt werden. Jedes weitere Zuwarten verschlimmert das Leid der Betroffenen, erhöht die Gefahr des Ausbruchs von Krankheiten und kostet letztendlich weitere Menschenleben. Jetzt muss gehandelt werden. Darüber hinaus wird auf die ausführlichen Ausführungen unter Punkt 2. verwiesen.

2. Inhaltliche Ausführungen:

Die unter Punkt 1. angeführten Zustände in den Lagern sind für junge AsylwerberInnen und MigrantInnen auf den griechischen Inseln schon seit Jahren nicht mehr menschenwürdig. Viele haben ihre Eltern verloren, die hygienischen Zustände sind furchtbar, die Menschen leiden anstatt zu leben. Die COVID-19 Pandemie hat diese untragbaren Zustände noch weiter verschärft. Laut UNICEF sind tausende Kinder und Jugendliche in diesen Lagern gefangen. Mittlerweile werden die Zustände aufgrund der Untätigkeit der EU-Mitgliedsstaaten, die auch nach 2015 keine gemeinsame, effiziente Asyl- und Migrationspolitik umgesetzt haben, immer schlimmer (https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2020-coronavirus-pandemiceu-bulletin-1_en.pdf).

Bereits Anfang Februar forderte der UNHCR die Räumung des – auf 3.000 Personen ausgelegten und mit zuletzt rund 13.000 Schutzsuchenden – heillos überfüllten und im September vollständig abgebrannten Lagers in Moria auf Lesbos (https://www.theguardian.com/global-development/2020/feb/11/un-calls-for-urgentevacuation-of-lesbos-refugee-camp). Dieses Lager hatte bis zuletzt die schlimmsten Bedingungen (1.300 Menschen pro Wasserhahn und ohne Seife). Seit Mitte März appelliert das EU-Parlament an Griechenland, die Lager zu räumen (https://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20200323IPR75632/refugeeson-greek-islands-urgent-evacuation-to-prevent-spread-of-covid-19). Auf eine Toilette in Moria kamen in etwa 300 Menschen. Moria ist bzw. war das größte Flüchtlingslager Griechenlands und Europas. Für die Europäische Union, die sich in ihrem Vertrag über die Europäische Union auch zu den Grundwerten der Menschenwürde und zur Wahrung der Menschenrechte bekennt, ist das eine Schande.

Nach Angaben des griechischen Migrationsministeriums wurden seit September rund 2500 Menschen aus Kara Tepe in andere Unterkünfte innerhalb der EU verlegt, 1300 weitere Menschen sollen das Lager bald verlassen dürfen. Deutschland hat sich bereit erklärt, 1500 Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen, Frankreich 900, Österreich 0.

Die österreichische Bundesregierung sieht auch weiterhin keinerlei Handlungsbedarf. Am 15.12.2020 beschloss die niederösterreichische Landesregierung immerhin, sich gemäß dem Beschluss der Landeshauptleutekonferenz, welcher einen Betrag von € 1.500.000,– als finanzielle Hilfe für Flüchtlingslager in Griechenland vorsieht mit dem anteiligen Betrag von € 284.209,41 als Beitrag des Landes Niederösterreich, zu beteiligen. Die rund 40.000 Geflüchteten und MigrantInnen fristen in den griechischen Lagern ihr Dasein in unwürdigen Zuständen, ohne genügend medizinische Versorgung oder die Möglichkeit, sich regelmäßig die Hände zu waschen. Um eine humanitäre Katastrophe auf dem Terrain der Europäischen Union zu verhindern, hätten die Lager schon längstens geräumt werden müssen. Auch die Eindämmung von COVID-19 und die Verhinderung explosiver gesellschaftlicher Spannungen ist ein europaweites Interesse.

Bereits am 31. März appellierte der Vorsitzende des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres an alle EU-Staaten, sich solidarisch mit Griechenland zu zeigen und sich bei der Verteilung der Schutzbedürftigen zu beteiligen (https://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20200330IPR76106/refugeesin-greece-meps-demand-solidarity-warn-about-impact-of-health-crisis).

Ein Programm der EU-Kommission wählt derzeit unbegleitete, schutzbedürftige Kinder aus den Lagern aus, überführt sie in spezielle und sichere Unterbringungen nahe Athen und finanziert deren Ausreise in andere EU-Mitgliedstaaten. Ein derartiges Programm entlastet auch das griechische Gesundheitssystem und ermöglicht den ausgewählten Kindern Rettung und Gesundheitsversorgung. Bereits am 23. März riefen 150 NGOs in Österreich und der EU in einem dringenden Appell zur sofortigen „Evakuierung der Flüchtlingslager und Hotspots auf den griechischen Inseln auf, um eine Katastrophe inmitten der Covid-19-Pandemie zu verhindern“ (https://orf.at/stories/3159053/). Innerhalb von drei Tagen lag der Zuspruch zu diesem Appell bei über 300 NGOs, viele unter ihnen sind österreichische zivilgesellschaftliche und kirchliche Organisationen (http://asyl.at/de/info/presseaussendungen/breiteunterstuetzungfuerappellzurevakuierungderlageringriechenland/). Auch in Österreich appellieren immer mehr Petitionen an ein humanes Vorgehen und Beteiligung an der Aufnahme von Menschen aus den Lagern, was die Bereitschaft widerspiegelt, sich hier der aufgenommenen Kinder anzunehmen.

Auch das Land Niederösterreich hat genügend Kapazitäten, um zumindest 100 schutzbedürftige Kinder aus den Lagern in Moria aufzunehmen und zu versorgen. Leerstehende Flüchtlingsunterkünfte mit aufrechten Nutzungsverträgen und zivilgesellschaftliche Initiativen stünden bereit, auch vom Wiener Landtag wurde bereits ein entsprechender Antrag mit breiter Mehrheit angenommen.

Die Gefertigten stellen daher den

Antrag

Der Landtag wolle beschließen:

„Die Landesregierung wird im Sinne der Antragsbegründung ersucht, an die Bundesregierung heranzutreten und darauf hinzuwirken, dass sich diese am EUProgramm beteiligt und die ausreichenden Kapazitäten für die Aufnahme von 100 schutzbedürftigen Kindern in Niederösterreich aufzeigt, um diesen Kindern eine positive Lebensperspektive zu geben.“ Gemäß § 33 LGO 2001 wird beantragt, dass dieser Antrag im Landtag ohne Ausschussberatung zur Behandlung gelangen möge sowie, dass dieser Antrag zu Beginn der Sitzung vom 17.12.2020 verhandelt werde.

Behandlung im Landtag – 34. Landtagssitzung

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