Ausstieg aus russischem Gas –
was tut NÖ?
Anfrage
der Abgeordneten Mag.ª Edith Kollermann an Landeshaupfrau-Stellvertreter für Energie, Landeskliniken und Landwirtschaft Dr. Stephan Pernkopf
gemäß § 39 Abs. 2 LGO 2001
betreffend: Ausstieg aus russischem Gas – was tut Niederösterreich?
In der Nacht vom 23. zum 24. Februar hat Russland die Ukraine auf mehreren Fronten mit massiver militärischer Gewalt angegriffen. Obgleich dieser Überfall nur eine weitere Etappe in einer Serie von unprovozierten Völkerrechtsverletzungen beginnend mit der Invasion der Halbinsel Krim 2014 darstellt, so repräsentiert sie doch eine neue Dimension in diesem Konflikt. Russland führt nun einen unverschleierten Krieg gegen ein völkerrechtlich – und bis vor kurzem auch von Russland – anerkanntes Nachbarland. Da der ukrainische Widerstand gegen diesen Angriffskrieg weit heftiger und kompetenter ist, als dies von Seiten Russlands wohl erhofft und die internationale Reaktion auf die Invasion relativ geschlossen und konsequent war, kann sich die russische Führung unter Putin kaum noch gesichtswahrend zurückziehen. Dies hat innerhalb weniger Tage zu einer vollkommenen Eskalation des Kriegs geführt inklusive Tausender ziviler und militärischer Toter, mehrerer Millionen Flüchtlinge und unfassbarem menschlichen Leid.
Der russische Angriffskrieg ist von der internationalen Staatengemeinschaft nahezu einstimmig verurteilt worden und Russland sowie seine Führung um Vladimir Putin wurden von der EU und vielen weiteren Staaten mit harten Wirtschaftssanktionen belegt, welche bereits nach wenigen Wochen erheblichen Druck auf Russland und seine Wirtschaft verursachen. Allerdings wurde schon im Vorfeld des Krieges klar, dass sich Europa in den letzten Jahrzehnten in eine viel zu große Abhängigkeit von russischen Energieimporten manövriert hat, was die Handlungsfähigkeit der EU deutlich reduziert, die wirtschaftliche und militärische Verwundbarkeit stark erhöht und Russland eine verlässliche Einnahmequelle zur Finanzierung des Angriffskriegs garantiert.
Österreich ist aufgrund des jahrelangen, kollektiven Versagens der österreichischen Energiepolitik in einer besonders prekären Lage. Entgegen zahlreicher Warnungen und mehrerer Völkerrechtsverletzungen von Seiten Putins (wie etwa der Besetzung der Krim) wurde im letzten Jahrzehnt nicht nur wenig bis gar nichts unternommen, um die Abhängigkeit von russischen Gasimporten zu reduzieren, sondern diese sogar ausgebaut. Bei einem plötzlichen Stopp der Gasversorgung – etwa bei einer weiteren Eskalation der Sanktionen oder als Folge eines Infrastrukturschadens im Zuge der Kampfhandlungen – wären aufgrund der am Ende des Winters fast leeren Speicher umgehend Lenkungsmaßnahmen notwendig und die österreichische Wirtschaft wäre gezwungen, den Betrieb deutlich zu reduzieren. Kurzfristige Alternativen für Gasimport in nennenswerten Mengen gibt es keine, weil unsere Gasinfrastruktur bewusst jahrelang ausschließlich auf Russland ausgerichtet worden ist.
Wir befinden uns deshalb in der moralisch äußerst schwierigen und inakzeptablen Situation, dass wir bei Versorgungsstopp vor einem massiven wirtschaftlichen Einbruch und einer Destabilisierung unserer Energieversorgung stehen und der Tatsache, dass jeder m3 Gas, welcher weiterhin aus Russland nach Österreich fließt, einen furchtbaren Angriffskrieg ohne Rücksicht auf Zivilisten finanziert und die Taschen eines Regimes füllt, welches Kriegsverbrechen begeht, brutal gegen interne Kriegsgegner vorgeht und mittlerweile offen über „Säuberungen“ spricht.
Gerade auf Landesebene gibt es allerdings viel Handlungsspielraum um den Gasverbrauch zu reduzieren:
- Widmungsprozesse müssen beschleunigt, vereinfacht und mit ausreichend Ressourcen ausgestattet werden, um den Ausbau der Erneuerbaren Energieträger voranzutreiben.
- Die Energieraumplanung muss forciert und flächendeckend umgesetzt werden.
- Bauordnungen müssen angepasst werden, um die Installation von PV-Anlagen und Wärmepumpen sowie thermische Sanierungen voranzutreiben.
- Der Gasausstieg muss auf Landesebene vorgezogen werden, um zu verhindern, dass Menschen und Betriebe in die fossile Kostenfalle gezogen werden und die Abhängigkeit von Gasimporten verlängert wird.
- Ein erheblicher Gebäudebestand befindet sich in direktem oder indirektem Landesbesitz: Amtsgebäude, Schulen usw. Diese müssen sowohl bei der Sanierung als auch bei der Installation von Photovoltaik endlich mit Vorbildwirkung vorangehen.
- Energieversorger, welche in Landesbesitz sind, agieren noch viel zu sehr als Cashcow für Landesbudgets, statt in öffentlichem Interesse die Erneuerbaren auszubauen und die Gasabhängigkeit zu reduzieren
- Netzbetreiber, welche ebenfalls in vollem Landesbesitz sind, agieren beim Netzausbau zu zögerlich, intransparent und innovationsfeindlich und bremsen so den Anschluss von Anlagen. Hier muss eine transparente Servicekultur gegenüber Energieunternehmen – vor allem gegenüber jenen außerhalb der Landesenergieversorger – etabliert werden.
Akzente können gesetzt werden, um den eklatanten Fachkräftemangel in Schlüsselbranchen zu senken, etwa durch Kampagnen in Schulen oder Vorbildwirkung der Landesbetriebe
Wegen der oben genannten Punkte und der Dringlichkeit der Loslösung Österreichs von der Gas-Abhängigkeit, stellt die Gefertigte folgende
ANFRAGE
- Welche Schritte wird die Landesregierung bzw. werden Sie als Landesrat angesichts des Kriegs in der Ukraine und der Energiekrise jetzt konkret setzen, um den Gasverbrauch in Ihrem Wirkungsbereich so schnell wie möglich zu reduzieren?
- Welche Schritte setzt die Landesregierung bzw. setzen Sie als Landesrat jetzt konkret, um Widmungsprozesse für Erneuerbare Energien zu vereinfachen und beschleunigen?
- Welche Schritte setzt die Landesregierung bzw. setzen Sie als Landesrat jetzt konkret,
um die Energieraumplanung flächendeckend umzusetzen? - Welche Anpassungen wird die Landesregierung bzw. werden Sie als Landesrat jetzt konkret vornehmen, um die Installation von PV Anlagen zu vereinfachen, die thermische Sanierung zu forcieren und beschleunigen und den flächendeckenden Einbau von Wärmepumpen zu erleichtern?
- Wird die Landesregierung bzw. werden Sie als Landesrat aufgrund des Kriegs in der Ukraine sowie der Energiekrise und Explosion der Energiepreise den Gasausstieg bei Neubauten vorziehen?
a. Wenn ja, wann und in welchen Schritten?
b. Wenn nein, warum nicht? - Welche Schritte wird die Landesregierung bzw. werden Sie als Landesrat jetzt konkret setzen, um die Sanierung von Gebäuden in Besitz des Landes erheblich zu beschleunigen und mit PV-Anlagen auszustatten?
- Welche Schritte wird die Landesregierung bzw. werden Sie als Landesrat jetzt konkret setzen, um die Gaserzeugung aus biogenen Quellen auszubauen?
- Welche Schritte setzt die Landesregierung bzw. werden Sie als Landesrat jetzt konkret als (Vertreter des) Haupteigentümer(s) des Landesenergieversorgers setzen, um den Ausbau der Erneuerbaren erheblich zu beschleunigen und den Gasausstieg zu forcieren?
- Welche Schritte setzt die Landesregierung bzw. werden Sie als Landesrat jetzt konkret als (Vertreter des) Haupteigentümer(s) des Verteilnetzbetreibers setzen, um den Anschluss von Erneuerbaren zu vereinfachen, beschleunigen und den Netzausbau zu beschleunigen?
- Welche konkreten Maßnahmen wird die Landesregierung bzw. werden Sie als Landesrat setzen, um dem eklatanten Fachkräftemangel in Schlüsselbranchen für den Gasausstieg entgegenzuwirken?
Beantwortung
Dr. Stephan Pernkopf
LH-Stellvertreter
Herrn Präsident
des NÖ Landtages
Mag. Karl Wilfing
im Hause
LHSTV-P-L-397/260-2022
St. Pölten, am 24. Mai 2022
Sehr geehrter Herr Präsident!
Zur Anfrage der Abgeordneten Mag. Edith Kollermann betreffend „Ausstieg aus russischem Gas – was tut Niederösterreich?“ zu Zahl Ltg.-2034/A-4/306-2022, darf ich folgende Beantwortung, sofern mein Zuständigkeitsbereich betroffen ist und dies dem Anfragerecht unterliegt, übermitteln:
Im Rahmen der Energieberatung NÖ wird eine kostenlose Energieberatung zur thermischen Sanierung von Gebäuden als auch zum Tausch fossiler Heizkessel angeboten. Aufgrund der guten Förderbedingungen und der Ukraine-Krise haben sich alleine im ersten Quartal 2022 die Anfragen im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt vervierfacht.
Des Weiteren arbeiten die Länder bereits seit mehr als einem Jahr intensiv mit dem Bund an einer österreichischen Wärmestrategie. In verschiedenen Arbeitsgruppen wirken Mitarbeiter des Amtes der NÖ Landesregierung mit. Kernstück ist aktuell das sogenannte Erneuerbaren- Wärme-Gesetz, welches den Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen für ganz Österreich regelt.
Für die Errichtung von Photovoltaik-Anlagen im Bauland sowie auf allen Bauwerken im Grünland wird keine eigene Widmung benötigt. Dadurch können bereits jetzt unabhängig von einem Widmungsverfahren alle bestehenden Dächer und sonstigen Bauwerke für die Errichtung von PV-Anlagen genutzt werden.
Bereits mit der, im Landtag am 2. Juli 2020 beschlossenen, Novelle des NÖ ROG wurde die Möglichkeit geschaffen, Widmungsverfahren über Initiative der Gemeinden in einem beschleunigten Verfahren durchzuführen, wodurch der im Gesetz geregelte Genehmigungsvorbehalt durch die Landesregierung entfällt.
Darüber hinaus wurde bereits im März 2020 ein Leitfaden zur Ausweisung der Widmungsart Grünland-Photovoltaikanlagen im Flächenwidmungsplan erstellt und den Gemeinden und Ortsplanerinnen und Ortsplanern zur Verfügung gestellt. Aktuell befindet sich die Erarbeitung eines Sektoralen Raumordnungsprogramms für Freiflächen-Photovoltaik in der Finalisierungsphase. In diesem Raumordnungsprogramm werden Zonen ausgewiesen, welche für die Widmung „Grünland-Photovoltaik“ bzw. die Errichtung großflächiger Freilandanlagen sind. Die darin ausgewiesenen Flächen werden aufgrund einer Vielzahl von einfließenden Kriterien ausgewählt und auch einer Strategischen Umweltprüfung unterzogen. Die Gemeinden können auf dieser Grundlage entsprechende Widmungen rasch beschließen.
Es ist auf das „Energiewende-Beschleunigungspakt für Niederösterreich“ zu verweisen. Darin enthalten sind alle wichtigen Maßnahmen für den beschleunigten Ausbau der Windkraft und Photovoltaik sowie der notwendigen Netzinfrastruktur ebenso enthalten wie die Initiativen zum Ausbau von „grünem Gas“ bzw. von Biogas. Zudem arbeiten Bundes-Länder-Arbeitskreise mit der Energiewirtschaft an Strategien zur Gewinnung von grünem Gas in Form von Wasserstoff.
Im NÖ Landtag wurde am 28.04.2022 einstimmig eine Novelle des NÖ Elektrizitäts- wesengesetzes beschlossen. Mit dieser Novelle werden PV-Anlagen bis zu 1 MWp genehmigungsfrei gestellt, wenn sie durch ein befugtes Fachunternehmen errichtet werden. Damit wird eine weitere wichtige Rahmenbedingung für den unbürokratischen und raschen Ausbau der Photovoltaik umgesetzt.
Mit freundlichen Grüßen
LH-Stv. Dr. Stephan Pernkopf eh.