Die Freiheit in Zeiten des Corona-Virus

6. April 2020

Es ist eine herausfordernde Zeit, in der die Digitalisierung des Arbeits- und Alltagsslebens einen deutlichen Schritt schneller vorankommen wird als ohne die Schubkraft der viralen Bedrohung. Digital ja – aber heißt das auch: 0 – 1, ganz oder gar nicht, das Eine ODER das Andere, Gesundheit ODER Wirtschaft, Kooperation ODER Freiheit?

Die ersten Maßnahmen, die vor nunmehr drei Wochen seitens der Bundesregierung gesetzt wurden, um die (zu) rasche Verbreitung der Epidemie durch das Covid-19-Virus zu verhindern, wurden von der weitaus überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert. Die Schreckensbilder aus Italien sind sehr präsent und das war und ist es, was es zu verhindern gilt.

Mit jedem Tag gewinnen wir neue Erkenntnisse und täglich lernen wir dazu. Welche Maßnahmen wann und in welchem Ausmaß die richtigen waren, wird man erst im Nachhinein beurteilen können. Entscheidungen treffen unter Unsicherheit – das ist Leadership, ob in der Politik, in einem Unternehmen, egal in welchem Verantwortungsbereich. Das, worauf wir aber auch während der Krise nicht zu schauen vergessen dürfen, ist: Handeln, entscheiden und kommunizieren die Verantwortungsträger nach bestem Wissen und Gewissen? Oder anders ausgedrückt: Nach verfügbaren Fakten und nach welcher zugrundeliegenden Moral?

Dieser Blogbeitrag soll und kann (noch) keine umfassende Betrachtung dessen abliefern, was Corona für unser Leben bedeutet.

Zwei Punkte möchte ich in dieser Diskussion herausheben:

  1. Die Angemessenheit von Maßnahmen unter Berücksichtigung komplexer Sachverhalte.
  2. Den Umgang mit Macht, wenn sie einem anvertraut wird.

Zum ersten Punkt sehen wir uns das vordringliche Thema Gesundheit im Kontext mit der Gesellschaft an. Nur, dass da keine Missverständnisse aufkommen – die Gesundheit ist das Wertvollste, das ein Mensch besitzen kann und die Sicherung der Gesundheitsversorgung eine der wichtigsten Aufgaben einer Gesellschaft, eines Staates.

Der Vergleich der Gesundheitssysteme und demografischen Gegebenheiten einzelner Staaten ist für die Expertinnen und Experten eine wichtige Grundlage für Entscheidungen, welche Vorgehensweise für das jeweilige Land die richtige sein kann. Eine gute Primärversorgung außerhalb von Krankenhäusern ist zum Beispiel eine gute Karte, die man hier haben kann. Die Hälfte der in Italien an Covid-19 Erkrankten hat sich im Krankenhaus angesteckt, liest man. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass die Quarantäne zu Hause, das social distancing, also Abstand halten, nur notwendige Wege zu erledigen etc. ein wichtiger Faktor sind. Ins Krankenhaus sollen nur die schweren und schwersten Fälle, nur so könne man den befürchteten Engpass der intensivmedizinischen Betten verhindern.

Es hat Wochen gebraucht, bis das medizinische Personal, Ärzt_innen und Pflegekräfte in den Spitälern weitgehend ausreichend Schutzmasken und Schutzkleidung zur Verfügung hatte. Die im niedergelassenen Bereich haben diese immer noch nicht! Und das ist unverantwortlich!

Seit drei Wochen haben Schulen und Universitäten geschlossen oder zumindest findet kein Unterricht vor Ort statt. Seit drei Wochen sind Restaurants und Geschäfte mit den bekannten Ausnahmen geschlossen. Hunderttausende Menschen haben ihren Job verloren, Hunderttausende sind auf Kurzarbeit. Nahezu täglich verkündet die Regierung neue schwindelerregende Milliardenbeträge, die für die Krise bereitgestellt werden und die für den Einzelnen, ohne Krise erfolgreichen, Kleinunternehmer ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Das ist alles kurzfristig wichtig – aber machen wir uns nichts vor: Wenn wir nicht so rasch, wie es eben mit entsprechenden Begleitmaßnahmen möglich ist, unsere Volkswirtschaft wieder „hochfahren“, schaffen wir das nicht und die Folgen des Shutdowns werden schlimmer sein als die der Viruserkrankungen.

Soziale Isolation führt zur Verschärfung bestehender Probleme, die sich durch die Covid-19-Krise auch nicht in Luft aufgelöst haben:

  • Existenzängste
  • häusliche Gewalt
  • Kinder, die nicht an „digitalen“ Lernformen teilnehmen können
  • psychische Erkrankungen
  • chronisch Kranke, die aus Verunsicherung oder weil das Angebot eingeschränkt wurde, nicht mehr in gewohnter Form betreut werden können
  • Akut-, aber nicht Corona-Erkrankte, die eine Abklärung von Symptomen verschleppen, da sie nicht zum Arzt gehen wollen/können.
  • v.m.

Auch das sind wesentliche Faktoren für Gesundheit und sozialen Frieden.

Testen, testen, testen – wird als wesentlicher Faktor dafür genannt, um die Beschränkungsmaßnahmen sukzessive lockern zu können. Aber es wird nicht so viel getestet, wie vom Bundeskanzler angekündigt und grundsätzlich sinnvoll wäre. Weil es die Testkapazitäten nicht gibt.

Also träumt man von der Anwendung anderer Maßnahmen. Und da kommen wir zu Punkt 2: dem Umgang mit der Macht.

Auch hier ein Disclaimer vorweg: Niemand kann alles wissen und jeder kann Fehler machen, wenn Entscheidungen unter Unsicherheit gefällt werden müssen. Das beanstande ich nicht.

Wir haben aber gerade in den letzten Wochen gesehen, wie wichtig die parlamentarische Auseinandersetzung ist. Allmachtsfantasien bahnen sich ihren Weg, wenn sie in den Köpfen der Menschen, die die Macht haben, zu Hause sind. Sie entstehen nicht in der Krise. Sie sind schon da.

Eine Krise holt das Beste, aber auch das Schlechteste aus einem Menschen heraus. Alle, die einmal eine kleinere oder größere persönliche Krise erlebt haben, wissen, wie schnell sich herausstellt, auf wen man sich im Fall des Falles verlassen kann.

Wir erleben in unserem Nachbarland Ungarn, wie der von Allmachtsfantasien – und wohl auch Angst, wie Helmut Brandstätter sehr gut ausgeführt hat – getriebene Viktor Orban das Parlament ausschaltet. Von der österreichischen Bundesregierung übrigens kein Wort dazu – keine Zeit, hört man.

Während wir auf Schutzkleidung/-masken für das medizinische Personal (!) im niedergelassenen Bereich und auf Testkapazitäten warten, hört die Inszenierungsmaschinerie der Türkisen nicht auf, erfolgreich zu arbeiten und Macht auf- und auszubauen. Und wo liegt die Macht? Bei den Daten.

Was liegt also näher, als Daten zu sammeln und dabei das Corana-Virus vor sich her zu tragen?

Sensible Gesundheitsdaten sollen weitergegeben werden – natürlich um Risikogruppen zu schützen. Was bedeutet das in Folge – also wenn die Corona-Krise überwunden ist? Löschen sich dann diese Informationen wie von selbst, selbst aus dem Gedächtnis derjenigen, die die Information erhalten haben?

Die Bürgermeister sollen personenbezogene Daten über Covid-19-Infizierte in ihrer Gemeinde erhalten. Wozu? Damit der Bürgermeister einen Kreidekreis drum zieht und die Isolierung sichtbarer macht? Inwiefern ist das für die Gesundung der Betroffenen oder die Ansteckungsvermeidung der restlichen Bevölkerung tatsächlich relevant oder befriedigt das nur das Bedürfnis, auch Teil einer Macht zu sein?

Und dann: das Tracking von Bewegungsdaten über Smartphones, Schlüsselanhänger, was auch immer. George Orwell’s Roman 1984 lässt grüßen – Big Brother is watching you. Das ganze verbunden mit dem sorgenvollen Gesicht des Innenministers, der von „Lebensgefährdern“ spricht. Wehret den Anfängen!

Der deutsche Virusepidemiologe Gérard Krause lehnt in der Diskussionssendung „Anne Will“ vom 29.3.2020 den Einsatz von verpflichtendem Tracking der Bewegungsdaten ab. Aus 2 Gründen, wie er sagt: Erstens ist die Wirksamkeit nicht gegeben, weil die räumliche Nähe nicht ident mit einer erfolgten Ansteckung ist und zweitens wegen der Grenzüberschreitung der Grund- und Freiheitsrechte, für die unsere Vorfahren jahrzehntelang gekämpft haben, und für die auch viele gestorben sind.

Die Reisefreiheit solle es noch eine Zeitlang nicht geben? Was bitte denkt ein entweder von Zeitgeschichte unbeleckter oder einfach ganz andere Ziele verfolgender Bundeskanzler? Ich habe mich seit meiner Jugend immer wieder damit beschäftigt, wie es möglich sein kann oder darf, dass eine politische Elite darüber bestimmen kann, ob jemand aus seinem Land ausreist, wie das zwischen 1945 und 1989 für die Länder des Ostblocks der Fall war. Um nur die nächstgelegene Nachbarschaft zu nennen. NEIN – das geht einfach nicht. Wie unsensibel kann man sein, Herr Kurz?

Es gibt eine rote Linie. Die liegt dort, wo die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen nicht mehr stimmt, und unsere Grundwerte bedroht sind. Diese rote Linie zeigen wir NEOS immer wieder auf und werden nicht müde das zu tun. Egal, wie populär oder unpopulär das gerade ist. Macht ja sonst keiner.

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